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Athanassios Kaliudis

Wie der Laser für TRUMPF zur Erfolgsgeschichte wurde

W enn Licht zur Leidenschaft wird: Nur wer seine Komfortzone verlässt, Entschlossenheit, Wagemut und Pioniergeist beweist und dabei echte Leidenschaft entfacht, avanciert zum Weltmarktmarktführer.

Für den „Nibbelkönig“ war es fast eine Provokation: Ein Werkzeug, das thermisch Konturen herstellt. Ein Werkzeug, das dünne Bleche präzise schneidet. Und das alles nahezu ohne jeglichen Verschleiß. Ein Vorstoß in das Königreich von TRUMPF, dem Nibbelkönig. Wenn irgendjemand irgendwo auf der Welt Bleche industriell bearbeiten wollte, kam er nicht umhin, sich mit TRUMPF wenigstens zu beschäftigen. Stanz- und Nibbelmaschinen waren der ganze Stolz des Familienunternehmens aus Ditzingen. Doch Ende der 1960er Jahre erreichten den Vater des Erfolges von TRUMPF, Professor Dr. Berthold Leibinger, eben diese Meldungen aus den USA: Bleche schneiden? Das geht auch ohne Stanzhübe – und zwar mit Laser.

Das beinahe beunruhigende am Laserschneiden war, dass es eines der gravierendsten Probleme des Nibbelns offenbar lösen konnte: Eine Nacharbeit der Schnittkontur war kaum notwendig. Ein amerikanischer Vertreter von TRUMPF prophezeite gar, dass der Laser das Nibbeln gänzlich ersetzen würde. Berthold Leibinger geriet ins Grübeln und begann, sich intensiv mit der Technologie und den Möglichkeiten des Lasers zu beschäftigen. Mehr als 40 Jahre später hat der Laser die komplette Welt der Fertigung revolutioniert und auch TRUMPF auf ein neues Level gehoben – auch wenn dieser Siegeszug am Anfang nicht unbedingt gewiss war.

Die Lösung – aber für welches Problem?

In den 1960er Jahren, als eine Fachzeitschrift TRUMPF den durchaus treffenden Adelstitel Nibbelkönig verlieh, schoss am anderen Ende der Welt das erste Laserlicht durch den Äther. Der US-amerikanische Physiker Theodore Harold Maiman entwickelte schon 1960 in seinem Labor den ersten funktionierenden Laser, basierend auf dem von Albert Einstein bereits 1917 veröffentlichten Nachweis der Lichtverstärkung. Dabei handelte es sich um einen optisch mit Xenon-Blitzlampen gepumpten Festkörperlaser mit einem Rubin als aktivem Medium. Auch wenn die Euphorie unter Forschern und Experten anfangs sehr groß war, hatte der Laser nicht unerhebliche Startschwierigkeiten. Die Lasermaterialien waren nicht rein genug, das komplette Lasersystem im Allgemeinen sehr anfällig und die Laserleistung im Speziellen oft zu gering.

Das „heißeste Thema in der Festkörperphysik seit dem Transistor“, wie das Time Magazine seinerzeit vom Laser schwärmte, steckte in seinen Kinderschuhen fest. Jeder Versuch, den Laser auf bestehende Anwendungen zu übertragen, scheiterte – die konventionellen Methoden blieben stets rentabler. Maiman selbst beschrieb den Laser schließlich als „eine Lösung auf der Suche nach einem Problem.“ Inmitten dieser Zeit der Ungewissheit entwickelte der Elektroingenieur und Physiker C. Kumar N. Patel 1964 in den USA den Kohlendioxidlaser (CO2-Laser). Wie sich herausstellen sollte, ein entscheidender Schritt in Richtung industrielle Fertigung mit Laser – und schließlich einer der Auslöser für Berthold Leibinger, wenige Jahre später über den Laser als neues Werkzeug nachzudenken.

Von Uhren und Bildröhren

Anfang der 1970er Jahre tüftelten Entwickler von Carl Haas in Schramberg an einer speziellen Lösung für die Uhrenindustrie. Die Aufgabe: Uhrfedern per Laser schweißen. Wieso auf einmal per Laser? Weil der Laser berührungslos arbeitet und somit eine höhere Bauteilequalität sowie Ganggenauigkeit der Uhrwerke möglich wird. Hierfür stellte Carl Haas ein Experten-Team zusammen, an dessen Spitze Paul Seiler stand. Der Name Seiler sollte sich im Lauf der nächste Jahrzehnte untrennbar mit dem Laser verflechten.

„Der Laser und seine Möglichkeiten waren und sind meine Leidenschaft“, erläuterte Seiler jüngst in einem Gespräch mit der Laser Community. „Es gab über die Jahre viele Momente, die das Prickeln und die Begeisterung der ersten Begegnung widerspiegelten. Sicher waren auch Schwierigkeiten und Rückschläge zu bewältigen. Aber die Leidenschaft erlischt dadurch nicht – im Gegenteil! Das feuert sie an. Es sind gerade die Herausforderungen, die einen an einer Idee festhalten lassen – auch 50 Jahre lang.“

1973 meisterten Seiler und sein Team die erste große Herausforderung und bei Carl Haas lief die erste Maschine zum automatisierten Schweißen von Federn – mit einem eigens entwickelten Festkörperlaser, dem sogenannten Laser-Komponenten-System LKS 15. Die Produktion von Spiralfedern für elektrische Uhrwerke und Armbanduhren ging in großen Stückzahlen über die Bühne – erfolgreich. Die steigende Nachfrage nach Farbfernsehern zwang AEG-Telefunken nach einem Werkzeug zu suchen, mit dem sich Kathodenteile für die Bildröhre automatisiert in hohen Stückzahlen schweißen lassen.

Carl Haas hatte mit seinem Laser die Lösung parat. Den Durchbruch brachte schließlich ein Großauftrag von Philips. Die Niederländer stellten ihre Bildröhrenproduktion komplett auf Laser-Punktschweißen um. Paul Seiler erinnert sich: „Durch diesen hochkarätigen Kunden wurde unser Laser-Komponenten-System international bekannt. Haas-Laser war plötzlich eine Marke.“

Mit dem richtigen Riecher

Für Berthold Leibinger war Ende der 1970er Jahre klar: TRUMPF kann mit dem Laser in der industriellen Fertigung neue Maßstäbe setzen. Das Unternehmen erkannte die Chance und verschloss die Augen nicht vor dem „light of hope“, wie Reader’s Digest schrieb. Eigene Laser hatte TRUMPF zu diesem Zeitpunkt nicht im Haus, also arbeitete das Unternehmen mit einem kalifornischen Laserproduzenten zusammen und integrierte zunächst zugekaufte Laser in seine Werkzeugmaschinen. Die erste kombinierte Stanz-Lasermaschine mit einem 500 Watt starken CO2-Laser stellte TRUMPF 1979 vor – eine Weltneuheit. Die Maschine war für die flexible Blechfertigung ausgelegt und schnitt frei programmierbare Konturen.

Der erste Erfolg weckte prompt Begehrlichkeiten. TRUMPF wollte einen Laser, der auch dicke Bleche zuverlässig schneidet. Dafür war der Partner aus den USA allerdings nicht breit genug aufgestellt. Und: Alle Informationen über die neuesten Erkenntnisse waren theoretisch auch für die Konkurrenz zugänglich. Berthold Leibinger bewies Weitsicht und holte Entwicklung und Produktion der CO2-Laser ins eigene Haus.

Ziel war es einen Laser zu bauen, der leistungsstark und werkstattgerecht ist. 1982 schloss sich die Forschungsstelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Luft- und Raumfahrt aus Stuttgart-Vaihingen der noch jungen Laser-Entwicklung bei TRUMPF an. Knapp eineinhalb Jahre später hatte das Team einen quergeströmten, hochfrequenzerregten 900-Watt-Laser entwickelt – der allerdings für nur circa 90 Sekunden lang einen Laserstrahl erzeugen konnte.

Nochmal eineinhalb Jahre später und mit dem neu entwickelten Konzept des längsgeströmten Lasers präsentierte TRUMPF auf der Werkzeugmaschinen-Weltausstellung EMO in Hannover 1985 seine ersten eigenen CO2-Laser mit 1 und 1,5 Kilowatt Laserleistung und überrumpelte damit seine Konkurrenten. Technisch war TRUMPF quasi aus dem Stand Weltmarktführer im Laserschneiden – und von keinem Laserlieferanten mehr abhängig.

Mit dem von Paul Seiler und seinem Team 1971 entwickelten Laser-Komponenten-System war es erstmals möglich, Glühkerzen ohne Vorglühen für Dieselmotoren in Großserie herzustellen.

1985 baut TRUMPF seinen ersten eigenen CO2-Laser, den TLF 1000. Er hat eine Laserleistung von 1 Kilowatt.

1985 präsentiert TRUMPF einen gefalteten Hochleistungs-CO2-Laser - die Basis für die heutigen Multikilowatt-Laser.

2008 hat TRUMPF den Pikosekundenlaser eingeführt.

Der TRUMPF Laser Amplifier liefert den Laserpuls für das EUV-Projekt.

In Zeiten des Tüftelns

Im selben Jahr bastelte Paul Seiler mit seinem Team in Schramberg weiter am Siegeszug des Festkörperlasers. Sie entwickelten das erste industriell einsetzbare Laserlichtkabel. Anders als bei CO2-Lasern lässt sich das von Festkörperlasern emittierte Licht aufgrund seiner kleineren Wellenlänge in flexiblen Glasfasern einkoppeln. Vorteil hierbei: Das Laserlicht kommt bequem und ohne Umwege zum Werkstück, weshalb der Festkörperlaser auch deutlich einfacher in Produktionslinien integrierbar ist. „Ohne das Laserlichtkabel hätte der Festkörperlaser nicht die heutige Bedeutung erlangt“, meint Paul Seiler. Dank Laserlichtkabel lassen sich Lasersysteme wirtschaftlicher nutzen – wodurch schlussendlich ihre Verbreitung in den Anfangsjahren deutlich zunahm.

Nach erfolgreicher Markteinführung der eigenen Laser verstummten auch bei TRUMPF die kritischen Stimmen. Berthold Leibinger erinnert: „Einer unserer Abteilungsleiter meinte, mit der Lasertechnik erreiche man genauso viel wie beim Nibbeln, nur mit viel höheren Kosten.“ Doch das Laser-Team bei TRUMPF entwickelte und optimierte mit Erfolg. Und schnell witterte man neue Potenziale: Die internen Rufe nach Strahlquellen mit entsprechenden Leistungsklassen zum Bearbeiten unterschiedlichster Anwendungen wurden immer lauter. Doch hierfür waren Laser mit höherer Strahlqualität zwingend notwendig – die Entwicklung musste also erst einmal in Klausur gehen.

Für eine hohe Strahlqualität ist ein möglichst langer Resonator Pflicht. Und was ist naheliegender, als den Resonator quadratisch zu falten, damit er kompakt bleibt? Das war zunächst leichter gesagt als getan, denn das für Transport und Kühlung des Lasergases notwendige Turboradialgebläse kostete knapp zwei weitere Jahre Entwicklungszeit. 1989 präsentierte TRUMPF schließlich den gefalteten Hochleistungs-CO2-Laser mit 1,5 Kilowatt und schaffte damit die Grundlage für die bis heute meistverkauften Mulitkilowatt-Laser. Dass die Industrie alsbald höhere Leistungen forderte, war keine Überraschung. TRUMPF konnte bis 1993 seine Laserleistung auf 12 Kilowatt steigern, heute hat das Unternehmen CO2-Laser mit 20 Kilowatt standardmäßig im Programm.

Steiler Aufstieg

Inzwischen hatte Carl Haas in Schramberg seine Lasersparte als eigenständige Firma unter dem Namen Haas Laser ausgegründet, Paul Seiler an der Führungsspitze installiert und kurz darauf die Beschriftungslaser der Firma Gretag übernommen. Ein denkwürdiges Jahr war 1991: Haas Laser stellte auf der Fachmesse Laser in München seine Studie für einen industrietauglichen 2-Kilowatt-Festkörperlaser mit Laserlichtkabel vor.

Das ließ die Branche aufhorchen. Alle, die sich mit Laser beschäftigten, hatten kapiert: Der Festkörperlaser, mit seiner flexiblen Strahlführung per Laserlichtkabel, wird in noch höhere Leistungsbereiche vordringen und somit ein immer attraktiveres Werkzeug für die industrielle Serienfertigung werden.

Bei TRUMPF arbeitete man derweil daran, das Unternehmen zum größten Anbieter von Lasern für die Fertigungstechnik zu machen. In Sachen CO2-Laser waren die Weichen bereits erfolgreich gestellt, Festkörperlaser hatte das Unternehmen bisher aber nicht im Produktportfolio. Vor allem in der feinmechanischen Industrie und der Medizintechnik waren Festkörperlaser etabliert und gefragt. Diese Lücke wollte und musste Leibinger schließen. Und somit erscheint der nächste Schritt nur folgerichtig: 1992 stieg TRUMPF als Gesellschafter bei Haas Laser ein und integrierte vier Jahre später den Schramberger Festkörperlaser-Pionier komplett in den TRUMPF Mutterkonzern. Paul Seiler, der Kopf von Haas Laser, war bis zu seinem Ruhestand 2003 in der Geschäftsführung. „TRUMPF war unser Wunschpartner, unsere Produktprogramme ergänzen sich in idealer Weise“, erklärte damals Paul Seiler. Heute würde man sagen: Es war eine klassische eine Win-Win-Situation.

In den Folgejahren mauserte sich TRUMPF zum größten Hersteller von Lasern für die Fertigungstechnik auf der Welt. 1995 kam die erste Flachbettschneidanlage mit Festkörperlaser auf den Markt, die die Kernkompetenzen der neuen Partner vereinte. Drei Jahre später gehörten diodengepumpte Beschriftungslaser zum stetig wachsenden Produktprogramm. Die Technologie der Diodenanregung war zu diesem Zeitpunkt neu – und für TRUMPF ein Glücksfall: 1999 wurde der erste diodengepumpte Scheibenlaser mit 1 Kilowatt Laserleistung als Laborgerät vorgestellt. Kurz darauf erlangte der Laser serienreife – heute ist der Scheibenlaser die Plattform für alle TRUMPF Hochleistungs-Festkörperlaser.

2002 kamen die ersten Großaufträge aus der Automobilbranche – für den neuen, lampengepumpten 4 Kilowatt Festkörperlaser. Mit dem ersten Kurzpulslaser 2005 öffneten sich die Tore hin zur Mikrobearbeitung: Feinstes Strukturieren, Abtragen, Bohren und Schneiden waren mit der neuesten Lasergeneration möglich. 2009 kam der erste hochbrillante Mulitkilowatt-Industrielaser mit Hochleistungsdioden als direkte Strahlquelle auf den Markt. Kein anderer Hersteller hatte und hat bis heute ein breiteres Produktprogramm an verschiedenen Lasern als das Familienunternehmen aus Ditzingen – und genau das ist sein Erfolgsgeheimnis.

Aufbruch in eine spannende Zukunft

In seiner Autobiografie bezeichnet Berthold Leibinger den Laser und seine Anwendungen als „das wichtigste Produkt der TRUMPF Gruppe“. 2005 legte er die Geschicke seines Unternehmens in die Hände der nachfolgenden Generation und zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Mit Tochter Nicola Leibinger-Kammüller an der Spitze der Geschäftsführung und Sohn Peter Leibinger als ihr Stellvertreter bleibt TRUMPF ein familiengeführtes Unternehmen. Und auch Peter Leibinger sieht die Lasertechnologie als „Schlüssel für die Zukunft“. Das unterstreichen nicht zuletzt die aktuellen Entwicklungen.

Ende 2013 etwa hat der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck einem Expertenteam von TRUMPF, Bosch und der Universität Jena den deutschen Zukunftspreis verliehen – quasi ein Ritterschlag. Sie haben ultrakurze Laserpulse zu einem neuen Werkzeug für die industrielle Massenfertigung gemacht. Der Laser bearbeitet schonend, präzise und hoch produktiv nahezu jedes Material – und sendet dabei während eines einzigen Wimpernschlags bis zu 24.000 Pulse mit enormen Spitzenleistungen aus. Peter Leibinger betont: „Die Mikrobearbeitung mit Ultrakurzpulslasern ist eine Fertigungstechnik der Zukunft – und deutsche Unternehmen sind dabei weltweit führend.“

Ein weiteres Beispiel ist die neueste Generation der Dioden-Direktlaser. Sie arbeitet ausgesprochen energieeffizient, erreicht einen Wirkungsgrad von bis zu 40 Prozent und ist somit bestens für die immer stärker angestrebte „grüne Produktion“ geeignet. Auch bei der generativen Fertigung setzt TRUMPF Maßstäbe und marschiert voraus. Mit dieser Technologie lassen sich direkt aus dem 3-D-Konstruktionsprogramm beliebige Teile aufbauen: Sie entstehen Schicht für Schicht aus metallischem Pulver, gefügt mit der Kraft des Lasers. Die Technologie hat das Potential, Verfahren wie Fräsen oder Gießen teilweise zu ersetzen.

Große Hoffnungen ruhen auch dem sogenannten EUV-Projekt. Es geht darum, extrem ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometer zu erzeugen. Denn nur damit lassen sich die sehr feinen Strukturen auf den Prozessoren von morgen herstellen. Im Klartext: Die Zukunft der gesamten Elektronikbranche hängt von der Serienreife dieses Projektes ab. In diesem technologisch hochkomplexen Herstellungsverfahren liefert TRUMPF die Schlüsselkomponente: einen CO2-Laserpuls mit 30 Kilowatt Leistung.

TRUMPF zerbrach sich Ende der 1960er Jahre den Kopf über dieses neue Werkzeug, das seinen Stanzmaschinen Konkurrenz machte. Ohne aber lange zu fackeln und an Bewährtem festzuhalten, zeigte sich das Unternehmen schon damals neugierig, aufgeschlossen – und weitsichtig. Mit Mut zur Lücke, den richtigen Ideen und der notwendigen Portion Glück avancierte TRUMPF in stürmischen Zeiten zum Weltmarkt- und Innovationsführer. Und egal welche heute vielleicht noch unbekannte Anwendungen der Laser morgen möglich machen wird: TRUMPF wird diese Zukunft entscheidend mitgestalten.

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