Es ist kaum acht Jahre her, da hatte eine vierköpfige Familie in einem Industriestaat vielleicht zwei Computer: einen PC und ein Notebook. Beide sind geblieben, hinzugekommen sind vier Smartphones — eines für jeden — sowie ein Tablet-PC für die ganze Familie. Und unterm Weihnachtsbaum warten dieses Jahr womöglich die ersten Smartwatches.
Zu sagen, die Elektronikgeräteindustrie sei in Schwung, ist niedlich. Die Leute lieben ihr Smartphone. Sie wollen mehr davon und sie wollen immer wieder neue. Fast drei Millionen Smartphones gingen 2013 jeden einzelnen Tag über die Ladentische, knapp über eine Milliarde Geräte insgesamt. 2009 waren es noch rund 173 Millionen — ein Wachstum um 480 Prozent in vier Jahren und in noch mal vier Jahren sollen es 1,8 Milliarden Smartphones pro Jahr sein, sagen die Marktforscher von IDC.
Einen Markt für Tablet-PCs gab es vor vier Jahren übrigens noch gar nicht. 2013 schon: 160 Millionen Geräte verkauften die Hersteller da.
Anders als die PC-Industrie steckt die Smart-Devices-Industrie noch in ihren wilden Anfangsjahren. Scheinbar unangreifbare Giganten verloren in kürzester Zeit ihre Vormachtstellung an neue Alphatiere. Doch auch die können sich keine Minute zurücklehnen: Denn schon drängeln neue, ernst-zunehmende Hersteller auf den Markt — über zehn davon allein aus China — und greifen nach ihrem Stück vom Kuchen.
Wer in diesem Wettbewerb mitspielen will, braucht zwei Dinge: ständig neue Features und ständig effizientere und günstigere Fertigungsverfahren. Vor allem für Letzteres ist heute schon das Laserlicht ein entscheidender Innovationsmotor.
Kameraabdeckung aus Saphir schneiden
Die Industrie setzt zum Beispiel verstärkt auf Werkstoffe, die sie kaum anders als mit Laserlicht bearbeiten kann. Saphir etwa, das zweithärteste Material überhaupt, ist wie gemacht für Geräte, die mehrmals am Tag von der Hand in die Tasche wandern und sich dort an Hausschlüsseln schrammen. Die transparente Saphir-Abdeckung schützt die empfindlichen Smartphone-Kameras.
Doch die Widerstandskraft des Werkstoffs ist Segen und Fluch. Mechanisch bearbeiten oder polieren — das ist für die Tausenderserien der Uhrenindustrie noch möglich, aber im Maßstab der Handyhersteller unbezahlbar. Darum greifen diese zu Lasern: Mit ultrakurzen Pulsen und höchster Pulsspitzenintensität schneiden sie Saphir schnell, exakt, nachbearbeitungsfrei und seit Neuestem sogar mit gestufter Schnittkante.Nur Licht hat das Potenzial, die geforderten Stückzahlen von mehreren Hunderttausend Einheiten zu erreichen. Pro Tag, versteht sich.
Folienleiterplatten per Laser schneiden und kontaktieren
Zugleich dringt der Laser immer weiter ins Innere der Smart Devices vor. Dort berechnen die Hersteller Bauräume längst in Kubikmillimetern, um dann darin mit den Elektronikbauteilen Tetris zu spielen.
Möglich machen das unter anderem flexible Folienleiterplatten aus Polyimiden, die sich gut an den vorhandenen Bauraum anpassen lassen und so zum Beispiel verschiedene Funktionsgruppen verbinden können. Dazu schneidet man sie mit exakt passenden Konturen zurecht. Laser, die freie Formen ermöglichen, keinen Verschleiß zeigen, absolut reproduzierbar fertigen und das Werkstück mechanisch nicht belasten, sind da perfekt geeignet.
Dieser Trend wird sich verstärken. Smarte Brillen, Armbänder, Uhren oder — wer weiß — Kontaktlinsen lassen sich ohne verwinkelte Folienleiterplatten nicht realisieren. Viele Leiterplatten haben mit einer Platte nur noch wenig gemein: Sie sind dünne Folien aus drei, vier, fünf oder mehr leitenden und nicht leitenden Schichten. Abertausende winzige, galvanisch gefüllte Löcher verbinden die Leiterbahnen über die Ebenen hinweg. Immer häufiger war es ein Infrarot-Pikosekundenlaser, der diese Löcher gebohrt hat. Er schafft Tausende davon pro Sekunde und trifft dabei die haarfeinen Leiterbahnen auf zehn Mikrometer genau.
Displayglas per Laser bearbeiten
Das mit Abstand teuerste Bauteil ist der Touchscreen. Rund ein Viertel der Gesamtherstellungskosten entfällt allein auf die Displaygruppe! Wer Kosten sparen will, hat hier einen massiven Angriffspunkt. Ein Display besteht aus zwei etwa 300 Mikrometer dünnen Glasscheiben. Sie umschließen die Transistoren für die Ansteuerung der Pixel, die Flüssigkristalle der LC-Anzeige beziehungsweise die OLEDs sowie ein oder zwei beschichtete Folien für die Touch-Funktionalität.
Die Gläser werden jedoch immer dünner und härter und ihre Verarbeitung damit aufwendiger. Sie lassen sich kaum noch sauber ritzen und brechen. Ätzen bietet zwar eine Alternative. Doch ein trockener Prozess, wie der Laser ihn ermöglicht, ist prinzipiell der angenehmere Weg.
Entsprechend trennen in neuen Fertigungsstrecken immer öfter Ultrakurzpulslaser das Glas in kalter Bearbeitung, ohne das Werkstück mit thermischen oder mechanischen Spannungen zu belasten. Als Bonus erzeugen sie glatte, nachbearbeitungsfreie Kanten ohne Mikrorisse — das verringert die Bruchneigung des Glases erheblich.
Materialmodifizierung im Displayglas per Ultrakurzpulslaser
Sehr bald könnte jedoch ein noch viel schnelleres und eleganteres Verfahren den Job übernehmen. Statt sich Puls für Puls durch den Werkstoff durchzubeißen, modifizieren bei diesem Verfahren die ultrakurzen Pulse entlang des „Schneidpfads“ eine extrem schmale Zone im Inneren des Glases. Die Veränderung erzeugt eine intrinsische Spannung und das Glas reißt spiegelsauber und auf Hundertstelmillimeter genau entlang dieser Spannungslinie. Die ersten Maschinen dafür gibt es schon.
Diese neue Glasschneidemethode bietet dabei nicht nur die Chance, die heutige industrielle Displayproduktion von teuren Zwischenschritten zu befreien. Auch die Prozessreihenfolge ließe sich neu anordnen: Weil der Laser gehärtete Gläser schnell und nachbearbeitungsfrei zerlegt, könnten künftig die flächigen Bearbeitungsschritte — Härten, Beschichten und Strukturieren — am großen Werkstück ausgeführt werden. Erst am Schluss zerteilt der Laser dann die große Scheibe.
Flexible Displays mit OLED
Auch dem Display der Zukunft leuchtet der Laser den Weg. Flexible OLED- Displays sind der Stoff , aus dem die Träume von Produktdesignern und Fertigungstechnikern bestehen. Organische Leuchtdioden auf Kunststofffolien ermöglichen flexible, gebogene und geschwungene Displays.
Zugleich lassen die flexiblen Displays auf eine Zukunft mit Rolle-zu-Rolle-Herstellungstechnik hoffen: Sie würden dann einfach ab- und aufgewickelt und könnten zwischendrin in Endlosprozessen die verschiedensten Bedruck- und Beschichtungsmaschinen durchlaufen, ehe zum Beispiel ein Laserstrahl sie am Ende in Displays aller Größen auftrennt.
Aktuell beginnt das Leben eines OLED-Displays als dünne, flüssige Polyimidschicht auf einem Glassubstrat: Das Polyimid härtet aus und bildet die Grundfolie. Diese erhält dann Siliziumschichten für die Transistoren, auf die nun die eigentlichen OLEDs als Bildschirmpixel aufgetragen werden. Aus Kostengründen trägt man die Siliziumschicht amorph auf. Dann schmilzt ein UV-Laser die Schicht auf. Beim Erstarren kristallisiert das Silizium. Seine Leitfähigkeit steigt und die Transistoren schalten schneller für ruckelfreie Bilder.
Festkörperlaser fürs Annealing
Das Verfahren nennt sich Excimer-Laser-Annealing. Die namensgebenden Excimer-Laser mit Gasresonator sind jedoch sehr anfällig für Störungen, sodass die Produktionstechniker täglich Stunden damit verbringen, sie zu warten und nachzujustieren. Doch eine Alternative gab es lange nicht. Jetzt schon: Zuverlässige und prozesssichere Hochleistungsfestkörperlaser liefern inzwischen genug Energie für den Bearbeitungsprozess — auch nach der notwendigen Frequenzverdreifachung in das UV-Spektrum.
Laser formen zunehmend auch die OLEDs selbst — zumindest indirekt. Die Displayhersteller erzeugen die OLED-Pixel mit Metallmasken. Diese sind ein bisschen größer als ein DIN-A4-Blatt, dabei aber gerade einmal 30 Mikrometer dick und haben eine Serie regelmäßig angeordneter, winziger Löcher. Durch diese hindurch werden die OLEDs als 30 Quadratmikrometer große Pixel aufgetragen. Weil die extrem feinen Löcher schnell verkleben, verschleißt die Metallmaske rasch und muss ausgewechselt werden.
Saubere Lösung für Metallmasken
Das gängige Verfahren, um die Maske zu erzeugen, ist ein chemischer Ätzprozess. Hier entstehen aber verwaschene Lochkanten, da sich die Konzentration der Chemikalie mit der weggeätzten Materialmenge ändert: Die Ätzflüssigkeit nutzt sich quasi ab. Weit präziser und absolut reproduzierbar arbeitet dagegen der Ultrakurzpulslaser: Er bohrt steile und scharfe Kanten in die Metallmaske.
Schneller und sauberer ist dieses Verfahren der Zukunft ebenfalls. Die extrem kurzen Pulse bohren bis zu 200.000 Löcher in einer Sekunde. Die Chemikalien können im Schrank bleiben.
Nach den Beschichtungsprozessen sollen die OLEDs wieder runter vom stabilisierenden Trägerglas — man möchte ja schließlich ein flexibles Display. Auch hierfür gibt es ein Laserverfahren, das sogenannte Laser-Lift-off : Der Strahl des UV-Nanosekundenlasers trifft von der Rückseite durch das Glas hindurch die Polyimidschicht des Displays. Er heizt die Schicht präzise an der Trennfläche auf, sie verliert die Haftung und löst sich ab: Fertig ist das OLED-Display.
Konventionell hat die Hightechelektronikindustrie sich an Gutteilquoten von gerade einmal 75 Prozent gewöhnt. Laser hingegen schaff en in all den oben beschriebenen Anwendungen eine Gutteilausbeute von 98 Prozent. Wer Produktionskosten sparen will, bekommt hier einen riesigen Hebel in die Hand.
Der Smartphone-Markt boomt: An jeder Straßenecke Ostasiens eröffnen neue Elektronikfabriken. Und neben Handys und Tablets stehen bereits die tragbaren, biegsamen Hightechcomputer zum Anziehen und Aufsetzen in den Startlöchern: Smart Watches, Smart Glasses, Smart Somethings.
Laserstrahlen sind hier die Möglichmacher und treibenden Kräfte in der Produktion. Man kann die Welt von morgen eben nicht mit den Werkzeugen von gestern bauen.
Dieser Artikel erschien erstmals Ende 2014.