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Ramona Hönl

Beatmungsgeräte aus dem 3D-Drucker

A pparate gegen Schnarchen sollen künftig auch Corona-Patienten helfen. Forscher der Universität Marburg rüsten sie gerade zum Beatmungsgerät um. Bastian Leutenecker-Twelsiek, Head of Consulting bei TRUMPF Additive Manufacturing berät die Wissenschaftler in jeder freien Minute. Denn die Bauteile für ihr Projekt kommen aus dem 3D-Drucker.

Mehr als zwei Millionen Menschen bekommen in Deutschland schlecht Luft – meist im Schlaf. Beim Atmen hilft ihnen deshalb ein unscheinbarer Kasten, die „CPAP-Beatmung“ (Continuous positive airway pressure). Mitarbeiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universität Marburg kamen beim Ausbruch der Corona-Pandemie auf die Idee, den Apparat zum Beatmungsgerät umzufunktionieren. Schließlich fehlen solche Geräte jetzt auf der ganzen Welt. Binnen weniger Tage gründete der Lehrstuhl für Halbleiterphotonik eine Arbeitsgruppe dafür. Das Ziel: Mit den CPAP-Geräte durch schnellen und preisgünstigen Umbau Corona-Patienten versorgen zu können.


Im Projekt „The Breathing Project“ haben Forscher mit 3D-Druck einen Apparat entwickelt, mit dem sich ein Schnarchgerät zum Beatmungsgerät erweitern lässt. Dieses soll bei der Versorgung von Corona-Patienten helfen. (Quelle: Universität Marburg)

3D-Druck ist die erste Wahl

Die Entwicklung dieser Notfalllösung ist ein Rennen gegen die Zeit. Deshalb sind die Forscher auf eine Technologie angewiesen, mit der sie schnell neue Ideen ausprobieren können. Ein 3D-Drucker schien ihnen dazu geeignet. Deshalb machten sie sich auf die Suche nach Experten in der additiven Fertigung. Durch Zufall stößt das Forscherteam auf Bastian Leutenecker-Twelsiek von TRUMPF. „Ein Mitglied der Arbeitsgruppe kannte meinen Chef noch aus der Grundschule. Als er mich auf das Projekt hinwies, habe ich nicht gezögert und bin direkt zur Universität gefahren“, sagt Leutenecker-Twelsiek.

Druckdaten weltweit frei zugänglich

Seitdem verbringt Leutenecker-Twelsiek jede freie Minute beim Projektteam. Er berät die Forscher, welche 3D-Druck-Verfahren sich eignen und unterstützt sie, die Teile dafür zu konstruieren. Zwei Ventile, die den Druck des Geräts beim Atmen regulieren, hat er selbst entwickelt. Sein Einsatz in der Krise ist für ihn selbstverständlich: „Am Wochenende fangen wir morgens an arbeiten bis ‚Open End‘. Wir wissen, dass wir Leben retten können, deshalb gehen wir alle bis an unsere Grenzen“, sagt der Experte, der am Wochenende in Marburg wohnt.

Innerhalb von nur zwei Wochen hat das Projektteam sieben Prototypen gebaut. Jetzt gilt es, eine Notfallzulassung für die Geräte zu erhalten. Parallel prüfen die Forscher, ob sich die Konstruktionsdaten und Softwarecodes online frei zur Verfügung stellen lassen. So können Unternehmen auf der ganzen Welt die Geräte fertigen und weiterentwickeln. „Die Anwendung ist ein sehr gutes Beispiel für die Innovationskraft des 3D-Drucks. Mit herkömmlichen Verfahren würden wir nicht so schnell zum Ziel kommen“, sagt Leutenecker-Twelsiek.


Forscher und Mediziner der Universität Marburg testen das Beatmungsgerät an einer Puppe. (Quelle: Universität Marburg)

Weitere Geräte in größeren Stückzahlen geplant

Für akute Corona-Fälle mit starker Atemnot sind die umgerüsteten CPAP-Geräte nicht geeignet. Allerdings können die Patienten nach nur wenigen Tagen der Behandlung darauf umsteigen. Im besten Fall lässt sich so der Engpass an konventionellen Geräten abmildern, sie sind dann nur noch für die Erstversorgung notwendig. Außerdem wollen die Forscher noch einen zweiten Apparat in Zusammenarbeit mit lokalen Firmen entwickeln, der sich konventionell fertigen lässt. Damit könnten einzelne Hersteller die Geräte in größeren Stückzahlen serienmäßig fertigen.

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TRUMPF
Quelle: TRUMPF