Ein schnelles Zucken, ein kurzes Drehen des Bearbeitungskopfs. Und schon nimmt der Greifer am Ende des Roboters zwei weitere Werkstücke auf. Er platziert sie auf dem Werkstückträger und fährt zurück. Die Maschinentür schließt sich und der Laser im Inneren beginnt zu schweißen. Sarah Mühleck nickt und geht lächelnd von der Maschine weg. „Läuft“, sagt sie zufrieden. Mühleck ist Standortleiterin beim Medizintechnik-Spezialisten Karl Storz im schweizerischen Widnau – und die automatisierte Laserschweißzelle ihr aktuelles Projekt. Seit einiger Zeit steht die TruLaser Station 7000 in der Fertigungshalle und schweißt Okulare für medizinische Endoskope. Auf die ist das Familienunternehmen Karl Storz spezialisiert. „In Widnau stellen wir Bauteile für Optiken her, das heißt wir arbeiten also vor allem mit Gläsern. Das Okular ist ein Bestandteil der Okularmuschel – der Teil des Endoskops, durch den der Arzt später ins Körperinnere schaut beziehungsweise die Endoskopkamera gekoppelt ist. Das Okular besteht aus Edelstahl sowie Saphir-Komponenten, die miteinander verbunden werden müssen.“ Die Spezialisierung des Standorts auf eine Kernkompetenz gehört zum Konzept von Karl Storz. Am Hauptsitz in Tuttlingen liegt der Schwerpunkt auf der mechanischen Bearbeitung, Feinoptik sowie Elektronik, in den USA entstehen Kameras und Glasfasern, in Estland Videoendoskope sowie Komponenten und in der Schweiz in Widnau vor allem optische Bauteile – und eben Okulare.
Eine Frage der Teile
Für die hat Mühleck nun eine moderne Laserschweißanlage mit mobiler Roboterzelle stehen. Für ein Unternehmen im Medizinbereich ist das alles andere als Standard. Denn dort ist nach wie vor viel Handarbeit angesagt. Das bestätigt auch ihr Kollege Wolfgang Karl. In Tuttlingen ist er mit seiner über 40-jährigen Betriebszugehörigkeit der Experte für alle Laserschweiß-, Laserschneid- und Laserbeschriftungsprozesse. Er sagt: „Besucher sind oft überrascht, wie viel manuelle Arbeit noch in unseren Produkten steckt. Aber natürlich schweißen wir auch mit modernen 5-Achs-Laserschweißanlagen. Bauteile, die verhältnismäßig starke Wandungen aufweisen, bearbeiten wir selbstverständlich maschinell. Aber es gibt eben doch immer wieder Bauteile, die sehr dünn und relativ klein sind. Da kann der Mensch einfach besser reagieren als die Maschine, weil er feinfühliger und flexibler ist.“ Dass auch in der Medizintechnik der Trend Richtung Automatisierung geht, ist für ihn gesetzt, aber man müsse immer genau abwägen, ob und wie das sinnvoll sei. Dem stimmt Sarah Mühleck zu und ergänzt: „Anders als etwa in der Automobilindustrie haben wir wenig Gleichteile und stattdessen eine enorme Produktvarianz bei gleichzeitig überschaubaren Stückzahlen. Das sorgt für eine hohe Komplexität, da ist eine Automatisierung schwerer umsetzbar. Und der Mensch arbeitet da oftmals schlicht schneller.“
Ab wann sich eine automatisierte Maschine rechnet, lasse sich dabei nicht allein an den Stückzahlen festmachen, sagt Mühleck: „Das ist sehr bauteilabhängig. Es kommt drauf an, welcher Arbeitsgang dort händisch ausgeführt wird und ob man auch andere Produkte mit auf der Maschine laufen lassen kann.“ Dass sich das Schweißen des Okulars in Widnau automatisieren lässt, stand für Mühleck und ihr Team schnell fest. „Das ist eine wiederholende Tätigkeit und gleiche Bewegungen sind für die Mitarbeitenden sehr belastend. Außerdem nutzen wir das Wissen unserer Fachkräfte lieber für kniffelige Aufgaben und nicht für das sich wiederholende Bestücken einer Anlage.“
Absolut dicht und extrem schnell
Klar war auch, dass die Fertigung künftig auf einer TRUMPF Maschine erfolgen soll. Die Expertise von Kollege Wolfgang Karl gab den Ausschlag: „Wir arbeiten in Tuttlingen als Testkunde seit einigen Monaten mit einer TruLaser Station 7000 und haben damit gute Erfahrungen gemacht“, berichtet er. Das Schweizer Team war schnell überzeugt – auch von der Kompaktheit der Anlage. Mühleck erklärt: „Für uns war ausschlaggebend, dass wir die Maschine in den Lastenaufzug bekommen, um sie in die Fertigung einzubringen. Da ging es um Zentimeter. Ansonsten hätten wir die Fassade öffnen müssen. Wir sind froh, dass wir das vermeiden konnten.“
Wichtigstes Kriterium für die geschweißten Teile: die Dichtigkeit. Mühleck erklärt: „Ins Endoskop darf keine Feuchtigkeit eindringen. Unsere wiederverwendbaren Produkte werden mehrfach verwendet. Beim Dampfsterilisieren nach einem medizinischen Eingriff sind die Endoskope hohen Temperaturen und Drücken ausgesetzt. Denen müssen sie standhalten“. Entsprechend hoch waren auch die Anforderungen an die Schweißnaht. Die Teile aus Edelstahl sind weniger als einen Millimeter dick und die Einschweißtiefe und Schweißnahtbreite dadurch gering. Das Karl Storz-Projektteam wählte einen faserbasierten Festkörperlaser TruFiber 500 von TRUMPF mit 500 Watt Leistung als Laserquelle. Dieser ist präzise genug, um die filigranen Teile zuverlässig zu verschweißen. Bei der Wahl des Lasers spielte für Wolfgang Karl neben der Qualität und Schnelligkeit auch die Effizienz eine wichtige Rolle. „Mit dem neuen Laser haben wir unsere Produktionszeit pro Bauteil von zehn auf eineinhalb Sekunden reduziert. Wir sind also deutlich schneller. Außerdem verbrauchen wir viel weniger Energie“, so Karl.
Schubladensystem mit großem Speichervolumen
Für die Automatisierung der TruLaser Station 7000 sorgt die wbt automation GmbH & Co. KG. Das kleine Unternehmen im schwäbischen Gosheim konnte liefern, was Karl Storz sich wünschte: eine Automatisierungslösung mit maximaler Flexibilität. Dies erfüllt die Roboterzelle MRC flextray von wbt. Sie ist mobil und fahrbar und lässt sich frontseitig an die TRUMPF Laserschweißanlage andocken. Dort übernimmt sie dann das Be- und Entladen. Sarah Mühleck erklärt: „Die Zelle ist mit einem Werkstückspeicher mit vier Schubladen ausgestattet. Darin haben insgesamt acht Werkstückträger mit 960 Werkstücken Platz. Hauptzeitparallel zum Schweißprozess können wir die Schubladen auf der anderen Seite der Roboterzelle öffnen, die fertig geschweißten Okulare entnehmen und mit den nächsten bestücken.“
Greifsystem mit Feingefühl
Die Okulare bestehen aus einer Edelstahlhülse, auf die der Laser einen Ring mit einer kleinen Linse schweißt. Aufgrund der filigranen Teile und den Anforderungen an die Dichtigkeit der Schweißnaht ist maximale Präzision beim Handling gefragt. Dafür kommt ein exakt vermessenes Robotersystem aus dem Hause Kuka zum Einsatz. wbt-Geschäftsführer Joachim Burkert sagt: „Die projektspezifische Genauigkeit herzustellen, war eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die wir erfolgreich umsetzen konnten. Wir arbeiten hier mit einem Vierfach-Greifer, das bedeutet: in einem Arbeitsschritt legen wir zwei unbearbeitete Teile ein und entnehmen gleichzeitig zwei fertig geschweißte.“ Damit die Linse beim Einlegen nicht verrutscht, hat wbt einen Vakuumsaugbalg integriert. Fasst der Greifer die Hülse, drückt der Balg die Linse mit geringer Kraft nach unten und platziert das Paket auf dem Werkstückträger. Mithilfe eines kleinen Luftstoßes löst sich der Balg von der Linse und der Roboter fährt weg. Über einen Lasersensor prüft er, ob alle Bauteile korrekt platziert sind. Auf seinem Weg nach draußen nimmt er zwei fertige Teile mit und legt sie zurück in die Schublade. Dann schließt sich die Maschinentür und im Inneren startet der Schweißprozess für die eingelegten Teile.
Der Laser fixiert den Edelstahlring zunächst mit drei kleinen Schweißpunkten auf der Hülse, um Spannungen im Material und ein Verformen des Rings zu verhindern. Dann schweißt er ihn fest. „Das Greifsystem und die Werkstückträger mussten wir auch auf die vielen Varianten anpassen, die Karl Storz auf der Anlage schweißt. Teilweise sind die Unterschiede nur im Zehntelbereich“, sagt Burkert. „Für die schnelle Abarbeitung von kleineren Stückzahlen lässt sich die Zelle innerhalb einer Minute ab- und wieder andocken. Roboter und Greifer können ebenfalls getauscht werden.“
Ein Projekt für die Zukunft
Für Wolfgang Karl zeigt das Projekt in Widnau, wo es für die Medizintechnik in Sachen Automatisierung hingehen kann. „Wir werden auch künftig noch viel Schweißungen händisch durchführen müssen, aber die Arbeitsgänge automatisieren, die sich sinnvoll automatisieren lassen. Mit der flexiblen Roboterzelle können wir beides auf einer einzigen Maschine.“ Nach der ersten Zeit mit neuer Laserschweißanlage und Automatisierung zieht auch seine Kollegin Sarah Mühleck eine positive Bilanz: „Die TruLaser Station 7000 arbeitet absolut zuverlässig, wir hatten bisher keine Ausfälle oder Störungen. Das ist essenziell, denn ein Maschinenstillstand bedeutet für uns auch einen Produktionsstopp. Bisher habe ich von der Anlage eigentlich sehr wenig mitbekommen – und das ist doch ein ziemlich gutes Zeichen“, sagt sie und lacht.