Die Idee kam dem Schweizer Experten für nicht lineare Optik, als er erforschte, wie Luft auf den Beschuss durch Hochleistungslaser reagiert. Sie ionisiert. Das geht auf die sogenannte Kerrinduzierte Selbstfokussierung zurück: Die Feldstärke eines hochintensiven Laserstrahls kann den Brechungsindex der Luft so beeinflussen, dass die Luft selbst wie eine Fokussierlinse auf den Laserstrahl wirkt.
Dadurch entstehen hohe Intensitäten, die die Luft ionisieren. Elektronen werden freigesetzt, die den Laserstrahl wieder defokussieren, und das Spiel beginnt sofort von vorn. Der Laserstrahl bleibt stabil und fokussiert sich selbst immer wieder aufs Neue. „Mit der richtigen Strahlquelle strecken wir den Fokus auf die Länge von hundert Metern“, erklärt Wolf. „Durch die Ionisierung entstehen Plasmakanäle, sogenannte Filamente. Und die können wir nutzen, um das Wetter zu beeinflussen.“
Gewitterwolken entladen
Wolf arbeitet derzeit an drei Anwendungen für seine Filamente. Zum einen will er damit Blitze aus den Wolken kitzeln. „Die Filamente lösen Entladungen aus und die Blitze folgen dem Weg des Kanals. Wir können die Blitze also sowohl provozieren als auch ihre Richtung bestimmen“, erklärt Wolf.
So kann Wolf Gewitterwolken auf zweierlei Arten unschädlich machen: Er löst innerhalb der Wolke Blitze aus, die gar nicht erst den Boden erreichen, und entlädt die Wolke so lange, bis sie friedlich ist. Oder er leitet die Blitze per Filament zu einem gewöhnlichen Blitzableiter auf dem Boden. „Der Bedarf an besserem Schutz ist groß: Allein in den USA entsteht durch Gewitter und Blitzschlag ein wirtschaftlicher Schaden von fünf Milliarden Dollar jährlich, meist durch Störungen des Flugverkehrs und Schäden an Flugzeugen oder Hochspannungsleitungen.“
Laser schützt Flughäfen und Kraftwerke
Wolf möchte stationäre Lasersysteme rund um Flughäfen und Kraftwerke errichten, die heranziehende Gewitterwolken entladen, bevor sie gefährlich werden können. Entscheidend für den Erfolg ist die richtige Strahlquelle. „Wir brauchen einen Femtosekundenlaser mit einer Pulsspitzenleistung von einem Terawatt und einer hohen, stabilen Repetitionsrate von mehr als einem Kilohertz. TRUMPF Scientific Lasers entwickelt gerade so einen Laser für mich.“ Die Zusammenarbeit entstand nach ein paar Probemessungen zur Blitzableitung im TRUMPF Labor in München. Ab Sommer 2020 geht der neue Laser von TRUMPF auf dem Berg Säntis in der Ostschweiz in der Testphase.
Regen verzögern
Die lasergenerierten Filamente können noch auf andere Weise das Wetter beeinflussen: Wolf wandelt Dampf zu kleinen, schwebenden Wassertröpfchen. Sprich: Er macht Wolken. Damit Dampf in der Luft kondensieren kann, braucht es Oberflächen, an denen der Phasenübergang stattfinden kann: Aerosole, also zum Beispiel Staub oder Sand. „Mit der Ionisierung durch Hochleistungslaser können wir die vorhandenen Aerosole hydrophiler machen. Sie ziehen mehr Feuchtigkeit an und bilden Tröpfchen, wo es vorher noch keine gab“, erklärt Wolf. „Wir können die Wolke allerdings noch nicht zum Regnen bringen. Nachdem wir sie erschaffen haben, lebt sie ihr Leben.“
Wolf kann unter Laborbedingungen jedoch Nasswolken für eine gewisse Zeit am Abregnen hindern. Hier kommt ihm das von Eberhard Bodenschatz erforschte Prinzip entgegen, dass kleine Tröpfchen nicht niedergehen: Indem Wolf die vorhandenen Aerosole in der Wolke zu wahren Feuchtigkeitsmagneten macht, verteilt sich das Wasser auf mehrere Oberflächen. „Die Tropfen spalten sich auf und sind nicht groß genug, um zu Boden zu fallen. Damit könnten wir in Zukunft Nasswolken so lange am Regnen hindern, bis sie über trockenen Landschaften sind. So könnten wir sowohl Dürren als auch Überschwemmungen verhindern“, beschreibt Wolf seine Vision.
Löcher in die Wolken bohren
Außerdem möchte Wolf mit seinen Filamenten die Kommunikation zwischen Satelliten und Erdboden verbessern. Wolken und Nebel sind da oft im Wege. In seinen Experimenten stieß Wolf auf ein weiteres Phänomen bei der Ionisierung: Der Temperatursprung der Luftmoleküle löst einen Schock aus, der eine plötzliche Schallwelle erzeugt.
„Diese akustische Explosion können wir nutzen, um Tröpfchen in Nebeln und Wolken zu verdrängen. Wir bohren also mit dem langen Laserfokus einen Kanal in die Wolken“. Die Zeit zwischen den einzelnen Schocks muss sehr kurz sein. „Darum kommt es hier auf eine besonders hohe Repetitionsrate an.“ Durch das Wolkenloch könnten Erde und Weltraum ungehindert Informationen austauschen — natürlich auch wieder per Laser.
Jean-Pierre Wolf ist Professor an der Universität Genf und ist Experte für nicht lineare Optik. Er erforscht, wie sich Laserstrahlen nutzen lassen, um Wolken zu beeinflussen und Blitze zu steuern.