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Mira Burgbacher

Schritt für Schritt smart vernetzt

B linder Aktionismus ist nicht die Devise von KNOLL. Schon gar nicht, wenn es um das wichtige Thema Digitalisierung geht. Schrittweise und wohlüberlegt hat das Unternehmen seine Fertigung in wenigen Jahren grundlegend optimiert.

Schritt für Schritt über mehrere Jahre hinweg Richtung Smart Factory? Joachim Riebsamen, Abteilungsleiter Rohbau bei KNOLL Maschinenbau, lacht und sagt: „Dieses bedächtige Vorgehen ist vielleicht typisch schwäbisch. Für meinen Geschmack hätte alles ein bisschen schneller gehen können. Für meinen Chef noch schneller. Aber rückblickend gesehen haben wir in nur vier Jahren eine Menge erreicht und dabei alles richtig gemacht. Das ist uns wichtiger, als Dinge übers Knie zu brechen, und deshalb werden wir genau so weitermachen.“ 

Lean-Management markiert den Aufbruch

KNOLL gehört zu den führenden Anbietern von Förder-, Filteranlagen und Pumpen und hat seinen Sitz im süddeutschen Bad Saulgau. Die Reise in die Zukunft begann für das Unternehmen vor vier Jahren. Die Vorbereitung darauf schon 2005. Damals führte das Unternehmen Lean Management in seiner Fertigung ein. Riebsamen: „Wir hatten schon seit Beginn der 1990er Jahre ein automatisiertes Materiallager in unserer Fertigung. Daran waren zwei Laserschneidmaschinen angebunden, eine davon mit einem vollautomatischen Beladesystem.“
 
Mit der Einführung der Lean-Management-Prinzipien Sauberkeit und Ordnung war der Grundstein für eine weitere Automatisierung der Fertigung gelegt.  Aber das war erst der Anfang. Das Familienunternehmen KNOLL, vor 48 Jahren gegründet, ist über die Jahre ständig gewachsen. Eine Halle kam zur anderen. Eine saubere Planungsstruktur? Fehlanzeige! Ab 2007 begannen Riebsamen und sein Team deshalb damit, eine komplett neue Fabrikplanung aufzusetzen. Die Idee: Die Blechfertigung sollte vom damaligen Standort mitten auf dem Gelände an den Rand verlegt werden, um Wege zu verkürzen und damit Prozesse zu beschleunigen. 

Turbo für Kleinserien

Die Krise 2009 bremste das Projekt kurzzeitig aus. 2011 ging es weiter und Riebsamen holte sich für die Lagerplanung die Experten von TRUMPF und Stopa ins Boot. Riebsamen: „Bei diesem Projekt haben wir erstmals ein detailliertes Lastenheft erstellt und es Schritt für Schritt mit unseren Partnern durchgearbeitet.“ Das Ergebnis kann sich auch heute noch sehen lassen. „Wir haben zielgerichtet in die Zukunft geplant und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um auch für künftige Anforderungen genügend Lagerkapazität zu haben“, sagt Riebsamen. Die Kapazität war aber nicht die einzige Herausforderung „Für unsere Anlagen fertigen wir Bauteile und -gruppen, die aus bis zu sieben unterschiedlichen Materialien bestehen – und das in Stückzahlen zwischen eins und 20. Die Schnelligkeit, mit der die Materialien immer zur richtigen Zeit an die richtige Maschine gebracht werden, war also für uns ausschlaggebend“, sagt Riebsamen.

Automatisiertes Mega-Lager

Das vollautomatisierte Stopa-Lager bei KNOLL ist 70 Meter lang und verfügt über 1.200 Lagerplätze sowie 13 Be- und Entladestationen. Riebsamen: „Eine unserer Anforderungen war, neben Standardgrößen auch vier auf zwei Meter große Bleche lagern zu können. Daher haben wir gemeinsam mit TRUMPF ein Mischlager konzipiert.“ Eine weitere Besonderheit ist die Lage des Regalbediensystems: es befindet sich – ebenso wie die Materialanlieferung, rund einen Meter unter dem Geschoss, auf dem die Maschinen stehen. Das bringt den Vorteil, dass das Material einfach eingelagert werden kann und – fügt Riebsamen augenzwinkernd hinzu: „Darüber hinaus konnten wir noch etwas Geld sparen, weil die Bodengegebenheiten einen tiefen Aushub ohnehin notwendig gemacht haben.“

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"In den vergangenen vier Jahren haben wir unsere Produktivität in der Blechfertigung um geschätzt 20 bis 25 Prozent gesteigert - eher noch mehr. Und jetzt geht's weiter...", so Joachim Riebsamen, Abteilungsleiter Rohbau, KNOLL Maschinenbau. Foto: Stephen Duscher

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Das vollautomatisierte Stopa-Lager bei KNOLL ist 70 Meter lang und verfügt über 1.200 Lagerplätze sowie 13 Be- und Entladestationen. Foto: Stephen Duscher

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Eine Anforderung war, neben Standardgrößen auch vier auf zwei Meter große Bleche lagern zu können. Daher hat KNOLL gemeinsam mit TRUMPF ein Mischlager konzipiert. Foto: Stephen Duscher

Das Regalbediensystem ist das Herzstück eines Lagers. Es fährt die Lagerplätze blitzschnell vertikal und horizontal ab, entnimmt das Rohmaterial und bringt es just-in-time zur verarbeitenden Anlage. Nach der Verarbeitung bringt es Fertigteile zurück oder zu weiterverarbeitenden Maschinen. Bei der Projektierung kommt es darauf an, die Verfahrwege des Regalbediensystems – also die Wege, die es innerhalb des Lagersystems zurücklegen muss – möglichst kurz zu halten, ebenso die Wartezeiten der Maschinen. Eine komplexe Aufgabe, die viel Know-how und Erfahrung erfordert, ebenso viele Gespräche über die kundenspezifische Fertigung, weiß Riebsamen. „Die hohe Anzahl an Be- und Entladestationen ergab sich während der Projektierung. Wir wollten drei Laserschneidanlagen, eine TruLaser Fiber 3030, eine Wasserstrahlanlage und mehrere Biegemaschinen anbinden. TRUMPF hat uns dann aufgezeigt, wo welche und wie viele Be- und Entladestationen Sinn ergeben.“ Die TruLaser Fiber 3030 beispielsweise verfügt über drei Stationen: eine zur Anlieferung des Rohmaterials an die Maschine und eine zum Abtransport der Fertigteile. Eine weitere dient ausschließlich zur Beseitigung des Restgitters. Eine Lösung, die bisher erst bei drei TRUMPF Kunden umgesetzt wurde. Für Joachim Riebsamen eine tolle Sache: „Das Restgitter wird ins Lager zurücktransportiert und innerhalb des Systems palettenweise über die Materialanlieferung aus der Halle geschleust. Innerhalb der eigentlichen Fertigung haben Stapler, die Schrott beseitigen, ausgedient.“

Die Steuerung denkt mit

Für noch mehr Power sorgt eine weitere Besonderheit: Gemeinsam mit TRUMPF hat KNOLL sogenannte Vorlagestationen beziehungsweise Schnellwechselstationen entwickelt. Die Fertigungssteuerung erkennt, wenn Material in Kürze bei einer Maschine gebraucht wird. Ist das benötigte Material weit weg von der Anlage eingelagert, nutzt die Steuerung Wartezeiten des Regalbediensystems dazu, dieses Material schon vorab in die Nähe der verarbeitenden Maschine zu bringen. Es lagert das Material buchstäblich vor. Wird es dann benötigt, ist es schnell an der Maschine und reduziert so deren Wartezeit.

Nachts produziert die Fabrik alleine

Möglich macht solche komplexen Vorgänge das Fertigungssteuerungssystem TruTops Fab Storage. Das Programm regelt und überwacht den Materialfluss, stößt auf der Grundlage der eingegebenen Aufträge notwendige Materialvorlagerungen an und gibt jederzeit genau Auskunft über Lagerbestände und Maschinenauslastung. In den beiden Tagschichten ist der Eingriff von Maschinenbedienern kaum noch notwendig. TruTops Monitor erfasst und analysiert alle Maschinendaten und gibt Auskunft über Stillstände, Pausen und Wartezeiten, Fehlerursachen und Wartungszeiten. Die Nachtschicht läuft ebenso wie die Wochenend-Schichten mannlos. Riebsamen: „Der zuständige Schichtleiter kann anhand der TruTops Fab App auf seinem Laptop jederzeit sehen, was passiert und eingreifen, wenn es notwendig ist.“
TruTops Fab wird bei KNOLL auch in der Arbeitsvorbereitung eingesetzt, beispielsweise bei der Programmierung und beim Schachteln.

Automatisierung, wo sie sinnvoll ist

TruTops Fab ist über eine Schnittstelle mit dem übergeordneten Produktionssteuerungs- und Planungssystem (PPS) von KNOLL verbunden. Joachim Riebsamen: „Diese Schnittstelle nutzen wir in der Hauptsache für die Materialwirtschaft. Wir arbeiten also noch nicht so vollautomatisiert, dass wir Aufträge direkt vom SAP-System in TruTops Fab schießen. Das ist für uns eher ein langfristiges Thema.“ Denn die Mitarbeiter in der Arbeitsvorbereitung und in der NC-Programmierung schätzt Riebsamen für ihre Erfahrung und Routine: „Die haben das gut im Griff und der Aufwand ist vertretbar.“

Digitalisierung ist Prozessoptimierung

Fertigungsaufträge kommen bei KNOLL aus dem SAP-System, dessen Einführung 2016 erfolgte. Riebsamen: „Seit jeher war und ist Liefertermintreue im Unternehmen das große Thema. Wir dachten anfangs, dass eine saubere Produktionsplanung mit SAP quasi von selbst funktioniert. So einfach ist es dann aber doch nicht.“ Ende 2016 fiel im Unternehmen die Entscheidung, sich nach entsprechenden Lösungen umzuschauen, um die komplexe Produktion künftig effizienter zu steuern.

Joachim Riebsamen ist optimistisch, dass KNOLL mit diesem Schritt der Smart Factory wieder ein entscheidendes Stück nähergekommen ist. Dass er Recht hat, haben ihm erst vor kurzem die TruConnect Consultants von TRUMPF bescheinigt. Ihre Analyse ergab, dass KNOLL in Sachen Digitalisierung auch im Vergleich zu anderen Blechfertigern hervorragend aufgestellt ist. 

Für Joachim Riebsamen ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die vorhandenen Systeme im Sinne des Unternehmens zu nutzen und das Beste aus ihnen herauszuholen. „In den vergangenen vier Jahren haben wir unsere Produktivität in der Blechfertigung um geschätzt 20 bis 25 Prozent gesteigert – eher noch mehr. Und jetzt geht‘s weiter...“

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