Greg L’Estrange hatte gerade in der Fabrik in Ballarat zu tun, als sein Telefon klingelte. Am anderen Ende des Hörers meldete sich ein Gabelstaplerfahrer aus der Fabrik. „Er fragte mich nach einem bestimmten Teil. Er war sich nicht ganz sicher, wo es hingehört, sagte mir aber auch direkt, was er damit machen würde“, sagt Greg L’Estrange, der Vorstandsvorsitzende von MaxiTRANS. Der ungezwungene Austausch zwischen Arbeiter und oberster Führungsetage mag überraschen. Schließlich ist MaxiTRANS kein Handwerksbetrieb, sondern Australiens führender Hersteller von Sattelaufliegern.
L’Estrange und seine rechte Hand, Produktionsleiter Brad Givvens, setzen auf flache Hierarchien. Allüren? Sind den beiden Managern fremd. Das Gespräch mit TRUe führen sie direkt in der Produktionshalle und tragen Arbeitskittel. Sie verkörpern den Geist der Schmiede- Werkstatt, die MaxiTRANS war, als alles begann – und das, obwohl L’Estrange selbst erst seit drei Jahren dazugehört. Die ehemalige Schmiede hat es weit gebracht. Das Produktionsunternehmen beschäftigt 700 Mitarbeiter, im vergangenen Jahr machte es einen Jahresumsatz von 400 Millionen australischen Dollar.
HERZSTÜCK STEHT ZUR DISPOSITION
Doch vor einigen Jahren verdüsterte sich das Umfeld. MaxiTRANS hielt zu lang an der alten Schule der Fertigung fest. Ineffiziente Methoden ließen die Kosten wachsen. Versuche, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren, scheiterten. Wettbewerber holten auf, MaxiTRANS verlor Marktanteile. Als eine Gruppe von Privatinvestoren das Unternehmen vor drei Jahren kaufte, ging es plötzlich um alles oder nichts. Das Herzstück von MaxiTRANS, die Produktion, stand vor dem Aus.
Das Kalkül der neuen Eigentümer, zu denen auch Greg L’Estrange gehörte, schien logisch und rational. Die gesamte angeschlagene Fertigung samt der Hauptproduktionsstätte im 100 Kilometer nordwestlich von Melbourne gelegenen Ballarat sollte schließen. Die neue Strategie sah vor, Anhänger zu importieren und sich ganz auf den Vertrieb zu konzentrieren. Das Geld aus dem Verkauf der Produktion schien verlockend. Doch es kam anders. Die Eigentümer machten eine 180-Grad-Wende. Statt zu verkaufen, beschlossen sie, das Unternehmen aufzuspalten und massiv in die Produktion zu investieren.

„Die Strategie sah vor, dass es drei Jahre lang keine Rendite geben würde. Der gesamte Cashflow musste zurück ins Unternehmen fließen“, sagt L’Estrange, der sich bei den Investoren für diese Option starkmachte. Sein Ansatz: Langfristig würde die Rendite höher sein als bei einem Verkauf. „Zum Glück verzichteten wir auf das schnelle Geld und entschieden uns für die zweite Option“, erinnert sich Greg L’Estrange. Nun lautete die Mission, die einstige Schmiede-Werkstatt innerhalb weniger Jahre zu einem hochmodernen Exzellenzzentrum zu entwickeln. Das Ziel: Betriebskosten senken, Produktion verdoppeln und so langfristig profitabel werden. Doch wie sollte der Turnaround gelingen? MaxiTRANS hatte kaum Erfahrung in moderner Produktionstechnik. Die wenigen Versuche, die es bis dato gegeben hatte, waren krachend gescheitert.
Schnell war klar: Es mussten erfahrene Partner her. TRUMPF erwies sich zusammen mit dem lokalen Partner Headland Technology als die beste Wahl. MaxiTRANS setzt beim Kurs Richtung „Schmiede 4.0“ auf Maschinen und Software des Ditzinger Familienunternehmens. Allein in die neuen Anlagen im Hauptproduktionszentrum in Ballarat hat MaxiTRANS 50 Millionen australische Dollar, umgerechnet über 30 Millionen Euro, investiert. Bei TRUMPF kauften sie die TruLaser 5040, die TruLaser Tube 7000, zwei TruBend 5000 und das STOPA-Großlagersystem. Die Softwarelösung Oseon integriert das Unternehmen in eine neue, von SAP geprägte IT-Architektur. Die Unternehmensführung arbeitet mit Hochdruck daran, die neuen Maschinen in die Prozesse einzubeziehen. Bis Anfang 2026 werde es noch dauern, sagt L’Estrange, dann sei der Übergang zur Smart Factory vollzogen.

TRANSPARENZ IST FUNDAMENTAL
Das neue Maß an Präzision ist für L’Estrange ein großer Schritt nach vorn. Die Maschinen von TRUMPF fertigen Teile viel genauer als die alten Maschinen. Geringe Toleranzen sind die Grundvoraussetzung für automatisierte Prozesse. L’Estrange spricht aus Erfahrung. In der Vergangenheit waren Versuche, robotergestütztes Schweißen einzuführen, aus genau diesem Grund kläglich gescheitert. Seine Lehre daraus: „Wenn du deine Bauteile nicht von Anfang an präzise fertigen kannst, fang gar nicht erst mit der Automatisierung an.“
Neben den präzisen Maschinen setzt MaxiTRANS auf Oseon, eine Software zur Steuerung von Fertigung und Materialfluss. Durch Oseon erhalten alle Beteiligten die für sie relevanten Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Diese Transparenz bezeichnet L’Estrange als „fundamental“. Sie mache es möglich, zu sehen, ob Prozesse funktionieren oder nicht.
L’Estrange und Givvens sind davon überzeugt, dass der radikale Wandel nur Erfolg hat, wenn die Belegschaft mitzieht. Das wiederum sei nur dann der Fall, wenn die Führungsebene vorangeht. „Die Manager wollen selbst anpacken und nicht nur im Büro sitzen. Wir treffen Entscheidungen schnell, unsere Toleranz für Bürokratie ist niedrig“, sagt Givvens. Sowohl er selbst als auch Greg L’Estrange treffe man häufiger in der Fertigung an als im Büro, führt er aus.
DIE MITARBEITER MÜSSEN DEN WANDEL TRAGEN
Ihn persönlich reize die Veränderung, aber das sei nicht bei allen so. Manche Mitarbeiter arbeiten seit Jahrzehnten in der Firma, wollen nur nach alter Schule fertigen. Den Wandel von der Schmiede zur Smart Factory gehen sie nur zögerlich mit. Die Chefs fahren des halb zweigleisig. Mitarbeiter, die bereit sind, sich zu verändern, bildet das Unternehmen fort. Gleichzeitig haben L’Estrange und Givvens neues Personal eingestellt. Sie sahen sich nach jungen Leuten um, die sich für Technologien begeistern. Sie wollten Mitarbeiter, die verstehen, warum der Wandel nötig ist. „Greg hat der Belegschaft deutlich gemacht, was passiert, wenn wir uns nicht verändern“, so Givvens.
Viele Mitarbeiter verstanden zum ersten Mal, worum es geht, als sie die neue Laser-Rohrschneidmaschine von TRUMPF sahen. „Als wir den Mitarbeitern zeigten, was sie kann, waren sie aus dem Häuschen. Das hat ihre Einstellung komplett verändert“, sagt Givvens. Die Bedeutung solcher Schlüsselmomente sind aus Sicht von Greg L’Estrange und Brad Givvens nicht hoch genug einzuschätzen. Sie sind Meilensteine im Change-Prozess. Denn über Erfolg oder Misserfolg entscheiden aus ihrer Sicht letztlich weder Maschinen noch Software, sondern die Mitarbeiter selbst. L’Estrange: „Die Ausrüstung ist der Schlüssel zur Tür. Durchlaufen müssen wir aber selbst.