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Ramona Hönl

„Die Corona-Krise ist die ideale Zeit für 3D-Druck"

F rank-Peter Wüst ist Experte für 3D-Druck bei TRUMPF, auch Additive Manufacturing (AM) genannt. Warum er in der Corona-Krise eine Chance für die Technologien sieht, verrät er im Interview.

Herr Wüst, dass der 3D-Druck die Medizintechnik während der Corona-Krise kurzfristig unterstützen kann, ist uns bekannt. Welche Potenziale sehen Sie noch?

3D-Druck hat riesiges Potenzial, Lieferketten wiederherzustellen. Prinzipiell können alle Branchen davon profitieren, beispielsweise die Autoindustrie oder die Energiebranche. Es geht aber nicht nur darum, mit 3D-Druck eine andere Technologie zu ersetzen. Vielmehr können wir mit den additiven Verfahren die Lieferketten überdenken und nachhaltig verbessern. Anstatt ein komplexes Bauteil aus mehreren Einzelstücken zu fertigen, lässt es sich zum Beispiel oft „am Stück“ drucken. Das kann Zeit und Kosten sparen sowie die Qualität steigern. Ein Federkühlkörper unserer TRUMPF Lasermaschinen besteht beispielsweise mit konventioneller Fertigung aus zehn Einzelteilen. Mit 3D-Druck benötigen wir nur noch ein Bauteil dafür. So konnten wir 30 Prozent Kosten sparen und die Montage vereinfachen.

In welchen Bereichen nützt AM am meisten?

3D-Druck bietet in fast allen Branchen Vorteile. Bei TRUMPF sehen wir viele Möglichkeiten in den Bereichen Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Dentaltechnik und der Energiebranche. Es geht aber nicht nur darum, dass Unternehmen ihre Produkte mit 3D-Druck verbessern. Vielmehr sehen wir auch Chancen für die eigene Fertigung.  Beispielsweise lassen sich Greifer in Produktionslinien mit 3D-Druck sehr gut optimieren, zum Beispiel durch Funktionsintegration, eine bessere Kühlung und einen verbesserten Gasfluss.

Irgendwann funktionieren die Lieferketten wieder. 3D-Drucker sind recht teuer. Wann lohnt es sich für ein Unternehmen, in eine Anlage zu investieren?

Ob sich ein 3D-Drucker lohnt, hängt nicht nur von den Investitionskosten ab. Vielmehr geht es darum, für jedes additiv gefertigte Teil einen Business Case zu erstellen und alle Faktoren zu berücksichtigen. Bauteilkosten wie für die Herstellung, die Montage und die Werkzeuge müssen in die Berechnung genauso einfließen wie Performancefaktoren der Anlagen, etwa eine längere Lebensdauer oder eine höhere Auslastung. Außerdem bietet 3D-Druck entlang der gesamten Wertschöpfungskette einen Mehrwert, etwa durch Unabhängigkeit von Lieferanten und weniger Lagerkosten. Wenn ein Unternehmen diese Vorteile für sich nutzen kann, lohnt sich eine Investition in eine 3D-Druck-Anlage.

Ist die Krise ein guter Zeitpunkt für Unternehmen, über 3D-Druck nachzudenken?

Absolut! Viele Mitarbeiter sind gerade jetzt motiviert, innovativ zu sein und die Möglichkeiten der additiven Fertigung für ihre Produkte zu prüfen. Genau das ist notwendig, um mit 3D-Druck erfolgreich zu sein. Bei TRUMPF haben wir ein Schulungsprogramm entwickelt, das Unternehmen beim Einstieg in den 3D-Druck unterstützt – vom Prozessverständnis über die Auswahl der Bauteile bis hin zur Integration in die eigene Prozesskette.

In der AM-Branche sind viele jungen Unternehmen und Start-Ups vertreten. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Branche?

Eine Auswirkung könnte sein, das Start-Ups und kleinere Unternehmen stärker mit größeren Firmen zusammenarbeiten. Denn gegenüber großen Unternehmen können sie in Krisenzeiten oft schneller und flexibler reagieren. Große Unternehmen verfügen hingegen über mehr finanziellen Spielraum. Kooperationen sind daher hilfreich, um innovative Ideen schneller umzusetzen. Für die gesamte Branche wäre das ein großer Mehrwert.

Hat additive Fertigung jetzt die Chance in neue, bisher konventionell fertigende Bereiche vorzustoßen? Wenn ja, wieso?

In Krisenzeiten stehen Unternehmen oft unter Druck, anders zu denken und neue Ideen zu entwickeln. Hierfür bietet der 3D-Druck viele Möglichkeiten. Allerdings ist es nur in wenigen Industrien denkbar, klassische Technologien komplett durch 3D-Druck zu ersetzen. Es ist erforderlich, sich genau mit der Technologie auseinanderzusetzen und die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass sich Konstrukteure von den Einschränkungen der klassischen Verfahren lösen und lernen, „in 3D“ zu denken.  

Frank-Peter Wüst

Frank-Peter Wüst ist Senior Application Expert für Additive Manufacturing bei TRUMPF.

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