Flink gleitet der Laser über die makellos glatte Oberfläche einer großen Walze aus Stahl und versprüht dabei hauchfeines Metallpulver. Es verschmilzt mit dem Untergrund und hinterlässt zunächst nur helle Linien auf dem Bauteil. Nachdem der Laser seine Spuren aber mehrfach exakt nachgezeichnet hat, verwandelt der Pulverauftrag die zunächst flachen Linien in dreidimensionale Strukturen. Nach und nach wird die Walze dann rundum mit diesem dreidimensionalen Muster bedruckt. Christoph Hauck, Vorstand Technologie und Vertrieb bei der toolcraft AG, und Klaus Eimann, technischer Direktor Produkt und Verpackungsinnovation des Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble, beobachten den Vorgang fasziniert durch das Arbeitsfenster der TruLaser Cell 3000. Es hat geklappt: Aus einer genialen Idee entstand ein praktischer Anwendungsprozess, der Procter & Gamble zukünftig Zeit und Kosten spart.
Material auftragen statt abtragen
Die Walze ist bei Procter & Gamble Teil einer Produktionsanlage zur Serienfertigung von Hygieneartikeln. Bisher wurden die Muster darauf aus dem Metall herausgefräst. Ein aufwändiger und langwieriger Prozess. Klaus Eimann erklärt: „Die Struktur der Walze nutzt sich im Dauerbetrieb schnell ab. Bisher mussten wir sie dann komplett ersetzen. Das ist teuer und wenig nachhaltig.“ Mit seinem Kollegen Uwe Schneider, Vice President Baby Care Engineering, tüftelt er an Alternativen und tatsächlich gibt es eine: Laserauftragschweißen (LMD) ist ein additives Verfahren, mit dem sich dreidimensionale Strukturen erzeugen lassen. „Wenn wir Material auf das Bauteil auftragen, dann können wir die Strukturen bei Abnutzung immer wieder neu aufbauen – die Walze also reparieren, statt sie zu ersetzen“, beschreibt Eimann seine Überlegungen. Zur serientauglichen Entwicklung dieser Anwendung wendet sich Eimann an Christoph Hauck von toolcraft.
Die toolcraft AG ist ein Familienunternehmen mit Sitz im bayerischen Georgensgmünd. Mit zukunftsweisenden Technologien wie etwa dem 3D-Druck sowie dem Bau von individuellen schlüsselfertigen Roboterlösungen hat sich das Unternehmen international einen Namen gemacht. Auch mit LMD beschäftigen sich Hauck und sein Team schon seit Jahren. Die Möglichkeit, die Technologie für eine konkrete Anwendung zu nutzen, begeistert Hauck und er stimmt einer Entwicklungspartnerschaft mit Procter & Gamble zu.
Eine Maschine wird zum Alleskönner
Hauck weiß, dass er zur Entwicklung des angefragten LMD-Prozesses und zur anschließenden Fertigung der Walze erst einmal eine passende Laseranlage braucht. Und die kann keine von der Stange sein. Zudem ist eine Entwicklungspartnerschaft noch lange kein Produktionsauftrag. Doch Hauck sagt sich: „Manchmal muss man einfach machen.“ Er erarbeitet gemeinsam mit seinem Team ein Lastenheft für eine „eierlegende Wollmilchsau“, also eine Maschine für alles. „Hätte es mit dem Auftrag nicht geklappt, wollte ich wenigstens eine Lasermaschine im Hause haben, an der wir vollumfänglich LMD-Grundlagenforschung betreiben können“, erklärt er pragmatisch.
Christoph Hauck wendet sich an TRUMPF und es zeigt sich, dass die TruLaser Cell 3000 theoretisch die passende Maschine wäre. Mit einem kleinen Haken: Sie müsste noch ein bisschen mehr können als die Serienanlage. Hauck trifft sich deshalb mit Andreas Vogel, Experte für kundenspezifische Lösungen bei TRUMPF. Schon nach wenigen Gesprächen ist klar: Das ist sein Mann. „Andreas Vogel und sein Team haben uns genau zugehört, haben Vorschläge gemacht und sich von unserer Begeisterung anstecken lassen“, erzählt Hauck.
Maßgeschneidert nach Kundenwunsch
Müsste man Andreas Vogel einen Titel geben, wäre wohl „Wunscherfüller“ ganz passend. Gemeinsam mit Kollegen aus den Bereichen Mechanik, Software und Elektronik entwickelt Vogel maßgeschneiderte Konzepte für Kunden, denen die Serienmaschinen von TRUMPF nicht ganz genau das bieten, was sie benötigen. Customizing, also Anpassung, nennt sich das und gewinnt im Werkzeugmaschinenbau zunehmend an Bedeutung. „Immer häufiger sind unsere Kunden mit Aufgaben konfrontiert, für die sie Speziallösungen brauchen“, erklärt Vogel. „So auch toolcraft, für die wir am Ende die bislang größte kundenspezifische Anpassung einer TruLaser Cell 3000 umgesetzt haben.“
Ausgelegt für schwere große Teile
Buchstäblich auf den Prüfstand kommen bei der Sonderanfertigung etwa die Drehachsen der TruLaser Cell 3000. „Die Walzen von Procter & Gamble sind massiv und wiegen mehrere hundert Kilogramm, da gehen die Seriendrehachsen in die Knie“, erklärt Vogel und fährt fort: „Wir haben also Stresstests durchgeführt, um zu ermitteln, was die Drehachsen maximal aushalten und was wir tun müssen, um sie robuster zu machen.“ Auch für die Größe der Bauteile brauchte es Sonderlösungen: „Irgendwie muss man die große Walze ja in die Maschine rein und wieder herausbekommen und das geht definitiv nicht per Hand. Also haben wir ein motorisches Konzept entwickelt“, so Vogel.
Neben zahlreichen weiteren Modifikationen, die für die LMD-Prozessentwicklung für Procter & Gamble notwendig sind, bauen die TRUMPF Experten für Hauck und sein Team eine wahre LMD-Spielwiese. Ein sogenanntes Optionenmodul bietet toolcraft alle Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Prozesse mithilfe von Laserauftragsschweißen. So ist auch das patentierte Highspeed-Laserauftragschweißen (HS-LMD) verfügbar. Es ermöglicht bei rotationssymmetrischen Bauteilen sehr schnelle Beschichtungsprozesse mit geringen Schichtdicken. „Mit LMD und HS-LMD können wir beispielsweise mit ganz neuen Beschichtungsmaterialien, wie beispielsweise Wolframcarbiden arbeiten“, erklärt Hauck.
Inzwischen ist die modifizierte TruLaser Cell 3000 bei toolcraft in Betrieb. Den Auftrag zur Serienfertigung der Walze hat das Unternehmen von Procter & Gamble erhalten. Die maßgeschneiderte TruLaser Cell 3000 ist seitdem bei toolcraft im Dauereinsatz und Christoph Hauck und sein Team sprühen vor Ideen, bei denen LMD eine wichtige Rolle spielt. „Es kann durchaus sein, dass wir bald noch ein paar weitere Ergänzungswünsche für unsere Sondermaschine haben. Ein grüner Laser wäre zum Beispiel nicht schlecht“, sagt Hauck schmunzelnd. Andreas Vogel freut‘s – auch deshalb, weil das für toolcraft entwickelte Maschinenkonzept mittlerweile bei anderen Kunden ebenfalls auf Interesse stößt: „Wir hatten bis jetzt schon mehrere Kundenanfragen, bei denen das Konzept ins Schwarze getroffen hat.“