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TRUMPF/Björn Behrends
Athanassios Kaliudis

„Die Scheibe packt mich noch immer“

D as Konzept des Scheibenlasers fiel Adolf Giesen 1991 über den Wolken ein. Im Interview erklärt er, wie dieser Laser jetzt ins All vorstößt und die Erdumlaufbahn vom Weltraummüll befreien wird.

Sie wollen Weltraumschrott per Laserstrahl verdampfen. Klingt arg kühn, oder?

Nein, gar nicht. Das ist völlig realistisch. Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt benutzen wir Laser mit hochenergetischen kurzen und ultrakurzen Pulsen jetzt schon, um Weltraummüll zu detektieren, also die Flugbahnen auf den Meter genau zu berechnen.

Um die Schrottteile zu verdampfen, müsste ein Laser aber einiges mehr an Leistung bringen …

Nun, ein paar Kilojoule brauchen wir schon, um die Oberfläche der Teile mittels Laserablation zu verdampfen. Durch den entstehenden Rückstoß werden sie abgebremst und verglühen in der unteren Atmosphäre. Das klingt nach Zukunftsmusik, aber tatsächlich gibt es dafür schon Konzepte.

Und woher soll diese enorme Steigerung der Laserenergie kommen?

Das wird natürlich am besten mit einem Scheibenlaser gehen.

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Persönliches

Prof. Dr. Adolf Giesen, geboren am 19. Dezember 1946, promovierte an der Universität Bonn in Physik. Schon seine Dissertation beschäftigte sich mit dem Laser. Seine zweite Leidenschaft ist die Musik. Adolf Giesen spielt Klavier.

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Stationen

Von 1982 bis 1986 arbeitete Adolf Giesen an Hochleistungs-CO²-Lasern am Institut für Technische Physik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart.

Von 1986 bis 2007 war er Leiter der Abteilung Laser und Laseroptik am Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) der Universität Stuttgart. Während dieser Zeit entwickelte er die Grundidee des Scheibenlasers.

2007 gründete er gemeinsam mit Friedrich Dausinger die Dausinger und Giesen GmbH und arbeitete als Direktor am Institut für Technische Physik des DLR in Stuttgart.

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Auszeichnungen

2002 wurde Adolf Giesen mit dem Berthold Leibinger Innovationspreis ausgezeichnet. 2004 erhielt er den Rank Prize und 2017 den Charles Hard Townes Award.

War Ihnen bei der Erfindung schon klar, dass der Scheibenlaser so ein Potenzial hat? In Ihrer ersten Veröffentlichung gingen Sie ja nur von mehreren 100 Watt Leistung pro Scheibe aus.

Ich wollte mich damals nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen, aber mir war schon klar, dass die Scheibe viel Leistung bringen kann. Ich hatte das Glück, damals mit Klaus Wittig, einem hervorragenden Theoretiker, sowie mit Andreas Voss und Uwe Brauch zusammenzuarbeiten. Sie haben mit mir gemeinsam eine Modellierung gestaltet, die zeigte, dass sich aus meiner Idee ein skalierbares Konzept entwickeln lässt.

Zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits erkannt, dass der Kilowattbereich keine Grenze für die Scheibe sein würde. Das war für mich die Voraussetzung, überhaupt weiter an dem Konzept zu arbeiten, denn schon damals habe ich gesagt, dass es nichts bringt, wenn die Leistung limitiert ist.

Die Grundidee zum Scheibenlaser kam Ihnen ja an einem besonderen Ort. Anders als die allermeisten blättern Sie im Flugzeug nicht in Magazinen, oder?

(Lacht) Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht! Sie spielen auf meinen Flug von den USA nach Japan im Herbst 1991 an. Den habe ich tatsächlich effizienter verbracht.

Das kann man sagen. Sie haben die Grundpfeiler für eine ganz neue Fertigungstechnologie gelegt. Wie kam es dazu?

Ich war kurz vorher auf einer Konferenz zum Thema Festkörperlaser. In einem Vortrag stand das Medium Ytterbium:YAG im Fokus. Der Referent schwärmte von einem sehr erfolgversprechenden Material, aus dem sich Strahlquellen für Hochleistungslaser bauen ließen, wenn — und dieses Problem schien seinerzeit unlösbar — sich das Material nur ausreichend kühlen ließe. Das wiederum ließ mir keine Ruhe mehr.

Optikaufbau der neuen TruDisk Scheibenlasergeneration von TRUMPF

Sie haben also das scheinbar unlösbare Problem Kühlung geknackt?

Ja, im Flugzeug kam mir die Idee mit der Scheibe. Denn eine Scheibe, die dünn genug ist, lässt sich über ihre Grundfläche hervorragend kühlen. Tja, das war die Basisidee, aus der ich mit meinem Team innerhalb der nächsten drei Monate ein Konzept entwickelt habe, das im Wesentlichen schon damals so aussah wie heute.

Können Sie das Funktionsprinzip ganz kurz erläutern?

Herzstück ist, wie gesagt, die nur etwa hundert Mikrometer dünne Ytterbium:YAG-Scheibe — ihr Verhältnis von Oberfläche zu Volumen löst das Problem mit der Kühlung. Außerdem treten Temperaturgradienten fast ausschließlich in axialer Richtung auf, was zu nur geringen thermischen Linseneffekten führt. Gepumpt wird das Medium mittels einer Multipasskonfiguration, die aus einem Parabolspiegel und einem Umlenksystem besteht.

Das Funktionsprinzip klingt simpel, ist technologisch aber hochkomplex: Der Pumpstrahl wird über Spiegel auf den Laserkristall fokussiert. Die hoch reflektierende Beschichtung auf der Rückseite der Scheibe wirft die nicht absorbierte Strahlung zurück. Macht man das mehrmals, lässt sich das Pumplicht hocheffizient absorbieren — dabei muss die Pumpquelle nicht einmal besonders brillant sein, um eine gute Strahlqualität des Scheibenlasers zu erreichen.

Und mit dieser Idee rannten Sie offene Türen ein?

Zunächst galt es, einige Schwierigkeiten zu überwinden. Beispielsweise war und ist die Art der Kontaktierung der Scheibe auf dem Kühlkörper ganz wesentlich. Aber wir haben die Probleme gelöst. Und mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie in enger Zusammenarbeit mit der Industrie konnten wir Jahr für Jahr Fortschritte vorweisen. Bereits 1997 zeigte Jenoptik auf der Lasermesse in München den ersten Scheibenlaser, im Jahr 2000 zog TRUMPF nach.

Und heute ist der Scheibenlaser ein etabliertes, robustes und überaus erfolgreiches Arbeitstier und Sie sprechen von Pulsenergien im Kilojoule-Bereich. Wie wollen Sie das Problem mit der Kühlung bei solchen Leistungen in den Griff bekommen?

Sie haben recht, es war und es bleibt immer eine Frage der Kühlung. Sie ist eng verbunden mit der Leistungssteigerung des Lasers. Der Scheibenlaser weist im Betrieb eine etwa um den Faktor 100 geringere thermische Deformation auf als ein klassischer Laser. Aber auch das lässt sich noch optimieren. Es gibt beispielsweise Veröffentlichungen aus den USA über flüssig-stickstoffgekühlte Laser. Und wir haben gezeigt, dass Temperaturen von minus 0 bis minus 100 Grad Celsius zu deutlichen Verbesserungen führen. Solche Kühlungen sind allerdings für die industrielle Nutzung nur schwer vorstellbar.

Aus der dünnen Scheibe mit ihrer großen Oberfläche lässt sich die Wärme schnell ableiten, oft sogar passiv über eine Wärmesenke.

Okay, Fachleute sagen ohnehin, dass für die industrielle Nutzung eines Scheibenlasers 6.000 Watt Leistung ausreichend sind.

(Lacht) Jaja. Und 1982 sagten die Fachleute, dass die Industrie nicht mehr als 500 Watt brauchen werde. Damals ging es um den CO₂-Laser, den TRUMPF gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelte. Unser Ziel waren 1.000 Watt Leistung. Die Experten von TRUMPF sagten uns Unterstützung zu, obwohl sie davon ausgingen, dass für den industriellen Einsatz eine Maximalleistung von 500 Watt absolut ausreichend sei.

Und jetzt schauen Sie mal, wo wir heute stehen: 6.000-Watt-Scheibenlaser sind für die Industrie schon fast die Regel. Natürlich gibt es Grenzen, schließlich muss man die Leistung des Lasers kontrolliert ins Werkstück einbringen können. Aber ich bin sicher, dass es den Anspruch nach mehr Power immer geben wird und wir ihn erfüllen können.

Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sind Sie vor Kurzem ausgeschieden, um Ihren Ruhestand zu genießen. Wenn ich Sie so schwärmen höre, klingt das nicht danach, als würde Sie der Scheibenlaser loslassen…

Nein, loslassen ist nicht so einfach. Ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Friedrich Dausinger 2007 ein Unternehmen gegründet. Die Firma hat ihren Sitz in Stuttgart und beschäftigt mittlerweile 15 Mitarbeiter. Wir planen, entwickeln und bauen Scheibenlaser für Firmen und Institute, die einen Hochleistungslaser für ganz bestimmte Anwendungen benötigen, und wir unterstützen Firmen beim Einstieg in diese Technologie. Und das sehr erfolgreich.

Eigentlich erstaunlich, dass eine so ausgereifte und richtungsweisende Technologie nicht von vielen Herstellern aufgegriffen wurde. Woran liegt das?

Der Scheibenlaser war ein kompletter Bruch zu dem, wie man früher Laser gebaut hat. Man muss in eine völlig neue Richtung denken. Das ist nicht ganz einfach. TRUMPF beispielsweise hat hart an der Entwicklung dieser Technologie gearbeitet und sehr viel investiert. Das aufzuholen erfordert große Kapazitäten, das macht man nicht einfach so nebenher.

Aber der Scheibenlaser hat auch in Zukunft großes Potenzial. Daher arbeiten wir mit unserer Firma daran, das Know-how zu verbreiten. Ich bin zwar jetzt im Ruhestand und ich genieße die Zeit mit meiner Familie, aber ich möchte die Dinge trotzdem weiterhin verfolgen und — wo ich kann — mitgestalten.

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