In der kleinen Kapelle im Südwestteil der ehemaligen Residenz der Herzöge von Sachsen-Weimar und Eisenach ist nichts mehr davon zu sehen, dass hier bis vor kurzem noch vorsichtig gehämmert, gemalt und gegipst wurde. Oben, an der Stirnseite der Apsis, strahlt das „Engelskonzert“ so schön, wie es Hermann Wislicenus vor über 150 Jahren gemalt hat. Dieses Frühjahr wird das historische Gebäude, das eine wechselhafte Bau- und Nutzungsgeschichte hinter sich hat, nach mehr als zehn Jahren Planung und Restaurierung wieder eröffnet. „Dann wird die Gestaltung der Kapelle aus dem Jahr 1868 wieder erlebbar sein“, freut sich Restauratorin Birgit Busch. Besonders aufwendig war die Entfernung der Stahlkonstruktion aus Stahlträgern und acht bis zehn Millimeter dicken Riffelblechplatten, die 1964 in der Kapelle eingebaut worden war, um ein viergeschossiges Büchermagazin unterzubringen. Das wichtigste Werkzeug für die Demontage: ein Dickblechnibbler von TRUMPF.
„Es ist ein schönes Gefühl, vom Fußboden der Kapelle aus wieder das gesamte Werk zu sehen.“ Birgit Busch hat die Restaurierung des geschichtsträchtigen Kleinods mit viel Herzblut geleitet. Einfach war die Arbeit nicht. „Das Gebäude hat viele Verletzungen und Verwundungen erlitten, die wir vorsichtig verarztet haben“, erläutert sie. „Wir haben uns von oben nach unten vorgearbeitet, mit den Deckenarbeiten begonnen und zuletzt den stark in Mitleidenschaft gezogenen Fußboden restauriert.“ Die Zusammenarbeit der Gewerke auf der Baustelle sei großartig gewesen. Wandfassungen mussten repariert, die Holzdecken von einem Lack befreit, Natursteine erneuert, die Bleiglasfenster und 15 historische Kronleuchter gereinigt und bearbeitet werden. Emporengeländer und die verlorengegangenen Türen wurden neu entworfen und ergänzt. Auch eine Brandmelde- und eine Grundbeheizung wurden installiert, die Elektrifizierung wurde erneuert. Stuckateure kümmerten sich um die Restaurierung des Stuckmarmors. Busch: „Es gibt nur noch wenige Handwerker, die so etwas können.“
Hochqualifiziert sind auch die Mitarbeiter der Spezialbau Erfurt GmbH (35 Mitarbeiter). 2018 hatte die Firma von der Klassik Stiftung den Auftrag für den Stahlrückbau in der Kapelle erhalten. Eine Mammutaufgabe. Firmenchef Jens Ludwig: „Die Bauherren haben uns deutlich gemacht, worauf es ankommt: Die historische Substanz wie Säulen und Wandgemälde dürfen bei den Arbeiten auf keinen Fall beschädigt werden.“ Wie sollte das möglich sein? Die Zwischengeschosse als Stahlkonstruktion waren zu 90 Prozent verschweißt. Allein bei den Bodenplatten handelte es sich um rund 320 Quadratmeter Stahlblech. „Wir müssen den gesamten Stahl mechanisch in tragbare Einheiten zerteilen und einzeln abtransportieren“, erklärte Ludwig seinen Auftraggebern. Aber mit welchem Werkzeug sollte man die Bodenplatten effizient und gleichzeitig schonend zerschneiden? Klar war, dass Brennschneider aufgrund ihrer Hitze- und Rauchentwicklung nicht in Frage kamen. Auch Metallsägen und Winkelschleifer, deren Funkenflug nicht zu kontrollieren ist, schieden aus.
Firmenchef Ludwig durchforstete das Internet – und stieß auf einen Fachbeitrag über den Dickblechnibbler TruTool N 1000 von TRUMPF. Die Maschine kann mit einer Arbeitsgeschwindigkeit von 1,6 Meter pro Minute bis zu zehn Millimeter dicke Bleche trennen. Perfekt geeignet für die Arbeiten in der Thüringer Kapelle, oder? Jens Ludwig kontaktierte TRUMPF Fachberater Michael Fritzsche, der ihm ein paar Tage später den Nibbler vor Ort vorführte – und ihn überzeugte. „TruTool N 1000 geht durchs Blech fast wie das berühmte Messer durch die Butter“, lächelt Ludwig. Nein, ganz so leicht sei die Handhabung nicht, „aber die Maschine liegt trotz ihres Gewichts von knapp 15 Kilo gut in der Hand“. Mit dem Nibbler konnten die Erfurter Spezialisten die dicken Bleche in Größen zerschneiden, die handlich waren. „Schließlich mussten wir die Teile aus dem obersten Geschoss nach unten in einen Container bringen“, betont Ludwig. Die Investition hat sich für ihn gelohnt: „Es ist tatsächlich das einzige Werkzeug, mit dem wir den Auftrag erledigen konnten.“ Er ist überzeugt: „Dieses Werkzeug eignet sich zum Beispiel für den Rückbau von Tanks.“
Birgit Busch ist von der Arbeit der Erfurter Spezialisten begeistert: „Ich kann vor ihnen nur den Hut ziehen. Was die auch körperlich geleistet haben - beeindruckend.“ Die erfahrene Restauratorin gibt zu, dass sie nach der Beendigung der Stahlarbeiten so erleichtert war, dass sie sich ein Glas Sekt gegönnt hat. Das werde sie wieder machen, wenn im Frühjahr tatsächlich die ersten Besucher die Schlosskapelle wieder betreten und ihre Schönheit bewundern können. Birgit Busch ist stolz auf die Restaurierung: „Wir haben wieder einen wunderschönen Raum. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich dieses Projekt leiten durfte.“
1806 – 1847: Planungs- und Bauprozess. Bauherr: Carl Alexander August Johann, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach.
1847: Weihung der Schlosskapelle am Palmsonntag. In den folgenden Jahrzehnten nutzt die großherzogliche Familie die Kapelle für Gottesdienste, Hochzeiten und Trauerfeiern.
1867: Hermann Wislicenus malt den oberen Abschluss der Apsis mit dem Gemälde eines Engelskonzerts aus.
1950: Der Raum wird zu einem Konzertsaal umgestaltet, der sogenannten Bach-Stätte.
1964: Ein viergeschossiges Stahlgerüst zur Lagerung von Büchern der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten wird eingebaut.
2004: Umzug der Buchbestände in ein neues Depot der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek.
2010 – 2012: Die ersten Pläne für die Restaurierung werden gemacht und erste Arbeiten durchgeführt.
2018: Die Klassik Stiftung erhält von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für die Renovierung eine Spende in Höhe von 1,4 Millionen Euro.
2019: Die Planungen und Arbeiten werden wieder aufgenommen.
2021: Das vor knapp 60 Jahren eingebaute Stahlgerüst wird entfernt.
2023: Wiedereröffnung der Schlosskapelle
Bild links: © Jens Hauspurg / Klassik Stiftung Weimar