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Gabriel Pankow

Laser Land Litauen: Warum es ein Vorteil ist, klein zu sein

G ediminas Račiukaitis ist Präsident der Litauischen Laser Gesellschaft. Hier erklärt er, wie es möglich ist, dass sein kleines Land eine so starke Laserlandschaft entwickelt hat.

Herr Račiukaitis , passiert es Ihnen oft, dass die Leute ungläubig und überrascht sind, wenn Sie ihnen von der Laserwelt in Litauen erzählen?

Račiukaitis: Ja, das ist normal.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Račiukaitis: Nun, wir sind ein kleines Land mit nicht einmal drei Millionen Einwohnern. Eine ehemalige Sowjetrepublik, die erst seit rund 20 Jahren in der Euro­päischen Union angekommen ist. Wir sind es gewohnt, dass man uns unterschätzt. Was Lasertechnologie angeht, so gibt es die bei uns seit 1966 – länger als in den meisten anderen Ländern der Welt.

Warum so früh?

Račiukaitis: Die litauische Laserlandschaft geht im Grunde auf drei Studenten zurück. Sie machten sich 1962 nach Moskau auf, um Quantenelektronik und damit auch die frühe Lasertechnik zu studieren. Sie halfen, 1966 den ersten Laser in Litauen zu zünden, und gründeten später das Laserforschungszentrum der Universität Vilnius und das Zentrum für Physikalische Wissenschaften und Technologie mit der Abteilung für Lasertechnologie, deren Leiter ich bin. Jeder, der in Litauen etwas mit Lasern macht, hat mit einem dieser Institute zu tun. Meistens mit beiden. Sie liegen nur 20 Kilometer auseinander. Kommerzielle Laser für die Wissenschaft bauen wir in Litauen seit 1983.

Und wie stellt sich die litauische Laserlandschaft heute dar?

Račiukaitis: Wir haben mehr als 50 Firmen im Land, die Laser oder optische Komponenten dafür herstellen. Ungefähr 1.400 Leute arbeiten dort. Der Gesamtumsatz beträgt etwa 176 Millionen Euro.

Das ist nicht so viel.

Račiukaitis: Nein, das ist nicht so viel. Aber wenn Sie ein Smartphone Ihr Eigen nennen, ist ziemlich sicher eine Komponente darin zu finden, die mit litauischen UKP-Lasern gemacht wurde. Unser kleines Land hält nämlich bei manchen Hightech-Systemen mit den USA, Deutschland und China mit.

Was stellen die Firmen her?

Račiukaitis: Traditionell stark sind wir bei Lasern für die Wissenschaft. Bei der Extreme Light Infrastructure ELI, einem europäischen Laserprojekt, arbeiten wir an den intensivsten Lasern der Welt mit. Vor rund 15 Jahren fingen die ersten litauischen Firmen dann an, Laser und optische Komponenten explizit für die Industrie herzustellen. Das Einfallstor war damals die Industrialisierung des UKP-Lasers, worin wir von Anfang an stark waren. Inzwischen haben wir ein ganzes Spektrum im Land: Hersteller von Lasern oder von Maschinen mit Laserfertigung, Hersteller von optischen Komponenten, zum Beispiel beschichteten Linsen oder OPOs. OPOs sind Verstärker und Umwandler für Laserlicht, 90 Prozent der weltweit verkauften OPOs kommen aus Litauen. Es gibt hier inzwischen auch einige Lohnfertiger, die mit Laserstationen arbeiten und High-End-Bearbeitungen anbieten, wie etwa Glastrennen. Und derzeit steigen einige unserer Unternehmen in die Medizintechnik ein.

Gediminas_Raciukaitis

»Wenn Sie ein Smartphone haben, ist es ziemlich sicher, dass einige Komponenten davon mit litauischen UKP-Lasern gemacht wurden.«

Gediminas Račiukaitis, Präsident der Litauischen Laser Gesellschaft, leitet die Abteilung Lasertechnologie am Zentrum für Physikalische Wissenschaften und Technologie in Vilnius. Er erforscht dort unter anderem die laserinduzierte Erzeugung hochenergetischer Elektronenstrahlen und die selektive Metallisierung per Laser für die Elektronik. Zudem ist er Präsident der Litauischen Laser Gesellschaft und begleitet den Aufstieg und Ausbau der exportorientierten Branche von Beginn an.

Welches ist das litauische Vorzeigeprodukt in Sachen Laser?

Račiukaitis: Wenn ich eines herauspicken muss, dann nehme ich den OPCPA. Das ist ein Verstärker für ultrakurze Laserpulse. Damit sind litauische Firmen schon lange sehr erfolgreich. Überhaupt spielen wir, was UKP-Technologien und deren Komponenten angeht, auf Augenhöhe mit dem Rest der Welt. Das freut mich besonders, weil es sich hierbei um Zukunfts­technologien handelt, mit denen wir immer inten­sivere Laser bauen werden.

Wem verkaufen Sie das alles?

Račiukaitis: Dem Ausland. Es gibt nur wenige litauische Unternehmen, die mit Lasertechnologie produzieren. Das ist leider ein Nachteil, zum Beispiel im Vergleich zu Deutschland. Denn dort ist es viel einfacher, das Ohr an den Anwendern zu haben und zu wissen, was sie wollen. Man trifft sich schließlich oft und kann sich ihre Fabriken anschauen. Wir arbeiten inzwischen daran, dass auch wir mehr Feedback von den Endnutzern bekommen. Die kommen nicht zu uns, also müssen wir zu ihnen. Wir von der Litauischen Laser Gesellschaft planen etwa gerade einen Besuch bei Firmen in Korea und Taiwan.

Was ist das Geheimnis des litauischen Lasererfolgs?

Račiukaitis: Dass es manchmal eben auch ein Vorteil ist, klein zu sein. Denn wir kennen einander alle persönlich. Die meisten Firmen sind Spin-offs der großen Institute, die meisten Gründer oder Mitarbeiter kennen die gleichaltrige Belegschaft der anderen Firmen und der Institute vom Studium. Es ist üblich, von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu wechseln und wieder zurück. Das führt dazu, dass Forschung und Entwicklung an den Instituten sich stark an den Bedürfnissen der Unter­nehmen orientieren. Wir Laserleute vertrauen einander, auch über die Unternehmen hinweg. Natürlich konkurrieren wir auf dem Markt, aber die Firmen arbeiten eher zusammen als gegeneinander. Ich würde sagen, in dieser Form ist das weltweit einmalig in der Photonik.

Was hat das Land Litauen von dem ungewöhnlichen Erfolg der Photonikbranche?

Račiukaitis: Natürlich erst einmal das Übliche: eine starke Wirtschaft, Renommee. Aber ich finde etwas anderes wichtiger: eine Heimat für meine Landsleute.

Wie meinen Sie das?

Račiukaitis: Es ist in Litauen üblich, ins Ausland zu schielen, wenn es um die Berufswahl geht. Am besten man studiert in Oxford – egal was, egal mit welchem Erfolg – und arbeitet danach in Schweden oder Deutsch­land. Ja, für manche ist das schön. Aber man verliert dabei die Heimat, und viele sind deswegen unglücklich. Eine blühende Laserlandschaft ermöglicht es den jungen Menschen, für sich eine gute Zukunft in Litauen zu sehen; mit spannenden Aufgaben und einer gut bezahlten Arbeit. Sie ist das beste Mittel gegen Braindrain. Dass dieser Bedarf nach Heimat da ist, sehe ich jedes Jahr aufs Neue.

Woran?

Račiukaitis: An der Uni Vilnius entscheiden sich 40 von 50 Physikstudenten für die Fachrichtung Laserphysik oder Lasertechnologie. Auf den Gängen der anderen physikalischen Fachrichtungen geht es ruhiger zu, weil es dort keine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gibt. Natürlich ist das Thema Laser auch einfach toll – aber es bietet halt vor allem eine hervorragende Zukunfts­aussicht. Und die jungen Menschen erkennen das.

Was glauben Sie: Wie sieht die Zukunft der litauischen Lasertechnologie aus?

Račiukaitis: Von 2009 bis 2021 wuchs unsere Photonik um 16 Prozent im Jahr. Das ist rasant, aber ich denke, es wird ähnlich weitergehen. Dafür brauchen wir Zugang zu mehr Märkten, damit das Wachstum auch irgendwo hingehen kann. Als Laserverband arbeiten wir daran. Was die Anwendungen betrifft, so sehe ich gute Chancen in der optischen Kommunikation und der quantenoptischen Kommunikation. Erste unternehmerische Aktivitäten in diese Richtung beobachte ich bereits. Da wird noch mehr kommen. Bald schon.

Haben Sie denn einen Tipp für andere Länder?

Račiukaitis: Wenn man in Wissenschaft und Industrie keine Laser einsetzt, dann bleibt alles stehen. Alles dunkel. 

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