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Lakhta Center in St. Petersburg, Russland. (Quelle: TRUMPF)
Athanassios Kaliudis

Bau's mit Licht - Laser in der Architektur

M oderne Architekten lieben Stahl und Freiheit. Mit Lasertechnik können Metallbauer ihnen beides liefern.

Was würde Jean Prouvé wohl sagen, sähe er diese Stahlträger? Der französische Architekt und Konstrukteur, der eigentlich ein ausgebildeter Kunstschmied war, arbeitete Mitte der 1920er- Jahre in seiner Metallbaufirma daran, Fassaden, Fenster- und Türrahmen, Dachelemente und Ähnliches wirtschaftlich zu gestalten und zu konstruieren. Bis zu seinem Tod 1984 widmete er seine Schaffenskraft der Verquickung von Produktionstechniken aus der Industrie mit der Architektur – und hinterließ dabei eine Industriearchitektur im umgekehrten Sinne. Denn während andere Industriearchitekten mit ihren Fabriken und Werkstätten industrielle Fertigungsweisen erst ermöglichten, fragte er sich in erster Linie, was industrielle Fertigungsweisen umgekehrt für die Architektur leisten können. Und jetzt diese Stahlträger.

Ginge Prouvé durch die 2017 eröffnete TRUMPF Smart Factory in Chicago, schlüge sein Herz sicher höher: Das 45 mal 55 Meter große, freitragende Hallendach in dieser vollständig vernetzten Fabrik ruht auf elf aus Einzelstücken geschweißten Stahlträgern. Sie wurden allesamt auf hauseigenen Maschinen geschnitten. Nicht nur fiktive Besucher wie Prouvé können so sofort sehen, was die Maschinen in der Smart Factory leisten – und erahnen, was Lasermaschinen überhaupt für die Architektur leisten. Ziemlich sicher würde Prouvé seinen Fachkollegen Frank Barkow aus dem Architekturbüro Barkow Leibinger, das die Smart Factory für TRUMPF entwarf, zuallererst fragen, wie unermesslich hoch ihr Budget für das Gebäude war, dass sie derartige Konstruktionen einplanen konnten. Und er würde erfahren: gar nicht so hoch. Denn Lasermaschinen von TRUMPF haben die Stahlträger geschnitten und geschweißt und die Dachkonstruktion erschwinglich gemacht.

TRUMPF Smart Factory in Chicago. (Quelle: TRUMPF)

Die Smart Factory von TRUMPF in Chiacago, USA. (Quelle: TRUMPF)

Elf Stahlprofile, aus Einzelstücken geschweißt, tragen das Dach der Produktionshalle der TRUMPF Smart Factory in Chicago, USA.

Elf Stahlprofile, aus Einzelstücken geschweißt, tragen das Dach der Produktionshalle der TRUMPF Smart Factory in Chicago, USA. (Quelle: TRUMPF)

Günstiger bauen dank Lasertechnik

Immer mehr Architekten wird klar, dass sie ihre Ideen umsetzen können, ohne die Budgets zu sprengen – wenn sie Lasertechnik einsetzen. Bauträger müssen sich weniger Sorgen um ihren Kostenrahmen machen und Passanten freuen sich über immer mehr ästhetische Gebäude. Besonders bei Flughäfen, Shoppingzentren oder Hotellobbys tendieren Architekten derzeit dazu, der Form dasselbe Gewicht wie der Funktion beizumessen. Konkret heißt das: Die tragenden Strukturen sollen nicht nur halten, sondern dabei bitteschön auch gut aussehen. Das führt dann – im Architektenjargon gesprochen – zu „Architecturally Exposed Structural Steel“ (AESS). Wie der Name schon sagt, sind hier die Stahlkonstruktionen von Gebäuden sichtbar. Anders als bisher ist es nun also wichtig, dass die Schweißnähte der Stahlkonstruktionen gut aussehen.

Michael Stumm, Vizepräsident des Schweizer Stahlprofilherstellers Montanstahl SA, sagt: „Hinter AESS steckt eine Neuklassifizierung qualitativ hochwertiger Stahlprodukte. Architekten stellen ganz neue Anforderungen an Stahlprofile.“ Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kanten. Immer häufiger fragen Architekten gezielt nach scharfkantigen Profilen aus Stahl, sogenannten Sharp Corner Profiles (SCP). Denn eine scharfe Kante, also ein kleiner Radius, stört das Auge des Betrachters nicht, wenn der Blick auf die Trägerkonstruktion an Fassade oder Dach trifft. „Den Wunsch nach scharfen Kanten gab es seitens der Architekten schon immer“, erklärt Stumm, „aber umsetzen ließ er sich bisher nur bei Aluminium und bei dünnwandigen Stahlprofilen. Beides zu schwach, um schwere Strukturen zu tragen.“

Mit dem Laser zur begehrten scharfen Kante

Wie also bekommt Montanstahl die heiß begehrten scharfen Kanten bei großen Stahlprofilen hin? Beispiel scharfkantige Rechteckhohlprofile: Sie sind als Trägerstruktur für Fassaden beliebt. Konventionell entstehen sie, indem Metallbauer einen Blechstreifen zum Viereck biegen und auf einer Seite schweißen. Der Nachteil beim Biegen zeigt sich an den Außenradien, für die die altbekannte Faustregel gilt: zweimal Materialstärke. Bei Profilen mit 20 Millimeter Wandstärke bekommt man also einen Außenradius von 40 Millimetern – das sind dann keine Rechteckhohlprofile mehr, sondern irgendetwas Eiförmiges. Alternativ kann man auch vier Blechstreifen nehmen und an allen Seiten schweißen. Das hat den zusätzlichen Charme, dass man verschiedene, genau an die Statik angepasste Materialstärken verwenden und somit Stahl sparen kann. Der Haken: Die Vierblechmethode ist extrem teuer und zeitaufwendig. Es sei denn, man macht es wie Montanstahl und setzt auf schnelle, tiefe und hoch belastbare Laserschweißnähte. Damit werden scharfkantige Rechteckhohlprofile so wirtschaftlich, dass sie für immer mehr Bauvorhaben überhaupt erst infrage kommen.

 

TRUTEC Building in Seoul, Korea. (Quelle: TRUMPF)

TRUTEC Building in Seoul, Korea. (Quelle: TRUMPF)

Besseres Ergebnis mit weniger Zeit und Geld

Beispiel scharfkantige T-Profile: Mit herkömmlichen Methoden waren scharfe Kanten hier höchstens bei kurzen und dünnwandigen T-Profilen möglich. Sind sie dicker, wird es schwierig. Um an der scharfen Kante spaltfrei fügen zu können, muss der Schnitt über die gesamte Länge sauber und gleichmäßig sein. Mit dem Laser bekommt Montanstahl das problemlos hin. Noch anspruchsvoller wird’s beim Schweißen: Konventionelle Verfahren wie MIG oder MAG hinterlassen wulstige Schweißnähte, die man später in mühsamer Nacharbeit schönschleifen muss. Noch schlimmer ist hierbei aber der Wärmeeintrag bei hoher Materialstärke: Lange Stahlprofile verziehen sich zu überdimensionalen Korkenziehern. Deswegen setzt Montanstahl aufs Laserschweißen: hohe Einschweißtiefe bei geringem Wärmeeintrag – und die Naht ist sauber. Das per Laser bearbeitete T-Profil sieht nicht nur besser aus, sondern ist in der Produktion auch noch schneller und billiger.

Wie nützlich die hohe Einschweißtiefe beim Laserschweißen ist, zeigt sich eindrücklich, wenn ein Hurrikan in ein noch nicht geschlossenes Gebäude fährt. So geschehen beim Novartis Headquarter in New Jersey, für das Montanstahl die Fassadenprofile fertigte. „Man hatte uns gesagt, dass es genügt, wenn wir bei der Materialstärke von zehn Millimetern nur ein bis vier Millimeter pro Seite einschweißen. Weil es für uns aber dank Lasertechnologie keinen Unterschied macht, haben wir die kompletten zehn Millimeter durchgeschweißt“, erzählt Stumm. Der Hurrikan verbog kein einziges Profil. Zusätzliche Sicherheit bei gleichem Aufwand.

Mehr Freiheit durch Freiform-Profile

Wer ohne Angst ins Auge des Sturms blicken kann, hat den Kopf frei für neue Formen. Viele Gebäudeentwürfe lassen sich nur noch mit Freiform-Profilen umsetzen. Doch bisher waren wilde Formen lediglich mit weichen, verhältnismäßig instabilen Aluminium-Profilen möglich. Was aber, wenn der Wind an der Spitze eines Wolkenkratzers an 15 Meter in die Höhe ragenden Aluminiumprofilen rüttelt? Hält das? Diese Sorgen müssen sich Gebäudegestalter nicht mehr machen. Wer seine verwinkelten Fassadenfantasien wahr werden lassen will, kann jetzt auch bei komplexen Geometrien mit Stahlprofilen bauen.

Höchstes Gebäude Europas mit TRUMPF Laser bearbeitet

Das 2018 fertiggestellte Lakhta Center in Sankt Petersburg (siehe Titelbild), das Hauptquartier des Gasriesen Gazprom, ist mit seinen 462 Metern das höchste Gebäude Europas. Die oberen 22 Meter wären ohne Laser so nicht möglich gewesen. Gefertigt hat sie die Edelstahl- Mechanik GmbH, die in Göppingen sitzt. „Es war Wahnsinn“, sagt der Geschäftsführer Josef Eisele und meint die nur vier Monate von Auftragsvergabe bis Auslieferung. Da sich der Turm wie ein Spiralbohrer in den Himmel schraubt, ist jedes Blech der Außenverkleidung anders. Die kegelförmigen und in sich verdrehten Bauteile aus Edelstahl von einer Stärke bis zu 60 Millimetern wurden alle mit TRUMPF Lasern 3D-beschnitten. Damit aber nicht genug des Lasereinsatzes am Lakhta Tower: Um tödliche Eiszapfengeschosse zu verhindern, sind die Bleche am Turm von innen beheizt. Die Positionen für die Bolzen, die die lebensrettenden Heizungen halten, gravierten die Mitarbeiter der Edelstahl-Mechanik gleich mit dem Schneidlaser ein und sparten sich so einen nachgelagerten Markierprozess per Schablone. „Nur mit Lasertechnik war es möglich, alles in dieser kurzen Zeit und mit nur 100 Mitarbeitern zu schaffen“, sagt Eisele.

Laser punktet auch, wenn es einfach nur schön werden soll

Ausgerechnet die perfekte Nahtqualität beim Laserschweißen macht manche Statiker misstrauisch: Kann etwas, das man kaum sieht, so fest halten? Diese Frage hört Eisele immer wieder. Als die Edelstahl-Mechanik GmbH jüngst Profile für einen Neubau der Universität Harvard. lieferte, war es nicht anders: „Die Statiker aus den USA waren skeptisch, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Ergebnis abzuwarten. Denn die geforderte Einschweißtiefe bei den großen Profilen war ohnehin nur mit dem Laser erreichbar“, erklärt Eisele. Am Projekt Harvard zeigt sich zudem, dass Eisele mit seiner Laserkompetenz auch dann punktet, wenn es einfach nur schön werden soll: Jedes einzelne Fassadenteil ist mit dekorativen Löchern versehen, die ein Laser geschnitten hat.

 Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences in Boston, USA.

Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences in Boston, USA. (Quelle: TRUMPF)
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Mit Aufträgen im architektonischen Bereich ging es für Eisele vor etwa 20 Jahren los, als ihn ein befreundeter Fertigungsleiter darum bat, die Spiegelglanz-Bleche für eine Schmuckfassade mit dem Laser zu schneiden. Mechanische Bearbeitungsmethoden verschandelten die glänzenden Oberflächen. Dass inzwischen mehr Wert auf „Designbauten, bei denen das Auge eine große Rolle spielt“ gelegt wird, wie Eisele sagt, kommt ihm zupass. Denn das erhöht den Druck in Statiker- und Architektenkreisen, sich mit der für viele noch immer neuen Lasertechnik auseinanderzusetzen.

Vorteile von Metall-Schmuckfassaden oft noch unbekannt

Herausforderungen in Sachen Akzeptanz kennt auch die Binder Parametric Metal GmbH. Der Vertriebsleiter Christian Geiger sagt: „Wenn wir mit Architekten sprechen, fällt auf, dass vielen die Vorteile einer Schmuckfassade aus Metall noch nicht ganz klar sind: Sie ist leicht zu montieren, rückstandslos recycelbar, sehr widerstandsfähig, kostengünstig und individuell anpassbar in der Form.“ Das Unternehmen mit Sitz im bayerischen Karlskron hat in der 3D-Metallfassade eine Nische gefunden und mit dem Laser das ideale Werkzeug, sie mit neuen Formen auszukleiden. Worauf es bei den Freiformflächen ankommt, die beispielsweise das Äußere von Parkhäusern, aber auch den Innenbereich verschiedener Gebäude auf ungekannt individuelle Weise zieren, ist Genauigkeit. „Bei einer guten Fassade muss der Beschnitt umlaufend präzise sein, auch durch dreidimensionale Formen hindurch“, sagt Geiger. Diese Präzision ist für den Laser bei keiner Form ein Problem. Genauso wenig wie kleine Losgrößen oder Zeitdruck – zwei Herausforderungen, mit denen gerade Fassadenbauer häufig zurechtkommen müssen.

Parkhaus in Bietigheim-Bissingen. (Quelle: TRUMPF)

Parkhaus in Bietigheim-Bissingen. (Quelle: TRUMPF)

„Der Laser ist schnell und flexibel. Wir können unsere Anlagen für vieles verwenden, weil sie sich in kurzer Zeit umprogrammieren lassen“, erklärt Geiger. Anlagen, deren Zusammenspiel TRUMPF in der Smart Factory in Chicago demonstriert. Was würde nun Jean Prouvé zum Werkzeug Laser sagen, während er die Industrie 4.0 vom Skywalk aus begutachtet? Vielleicht, dass er schon immer um die Fähigkeit der Maschinenindustrie wusste, die Architektur zu beflügeln? Vielleicht würde er in der TRUMPF Smart Factory die materialisierte Verzahnung von Industriearchitektur und Architektur aus Industrie erkennen. Vielleicht wäre er aber auch einfach nur aus dem Häuschen.

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