„For things to remain the same, things will have to change.“ Jean-Marie Andrés Lieblingszitat aus dem Buch „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa sagt viel über den BeSpoon Geschäftsführer aus. „Veränderungen sind notwendig, um immer auf dem neusten Stand der Dinge zu bleiben. Als Ingenieur und Tüftler ist der Fortschritt mein bester Freund“. Das französische Start-up BeSpoon mit Sitz in Le Bourget du Lac verfolgt das Ziel, Produktionsprozesse mit innovativen Software-Lösungen zu vereinfachen. Eine davon ist das sogenannte „Indoor-GPS“. Bisher konnte man GPS in geschlossenen Räumen nicht nutzen, da die Satelliten nur bedingt in der Lage sind, dichte Materie, wie Wände, zu durchdringen. BeSpoon hat das Problem einfach umgangen. Die Ortungsgeräte des Unternehmens, sogenannte Satelliten, lokalisieren Produkte bis auf wenige Zentimeter genau. Eine bahnbrechende Neuheit. BeSpoon ist damit Pionier beim Orten von Objekten in Räumen oder Produktionshallen.
Lokalisieren leicht gemacht
Das französische Forschungslabor „CEA LETI“ forschte bereits zehn Jahre lang am Konzept des „Indoor-GPS“, als die Wissenschaftler im Jahr 2010 auf die Gründer von BeSpoon zugingen. Sie schlugen eine Zusammenarbeit vor. Die Grundidee: Radiowellen anders zu nutzen als bisher, um präzise Entfernungen in geschlossenen Räumen messen zu können. „Unsere Forschungsergebnisse haben wir in einer Studie veröffentlicht. Die hat ein TRUMPF Mitarbeiter gelesen und wurde so auf uns aufmerksam“, berichtet André. 2017 erwarb TRUMPF 60 Prozent der Anteile an BeSpoon. Jean-Marie André kannte den Ditzinger Maschinenbauer vorher nicht. Er und seine Kollegen haben sich unter anderem mit dem Tracken von Sportlern auf dem Spielfeld, zum Beispiel beim Basketball, beschäftigt. Was die Franzosen damals noch nicht wussten: Ihr Indoor-Tracking verbannt einen Zeitfresser aus den Produktionshallen vieler Blechfertiger – die Suche nach Teilen.
Schluss mit dem Versteckspiel
Der Anteil der Aufträge mit kleinen Stückzahlen wächst. Vielen Betrieben fällt es zunehmend schwerer, den Überblick zu behalten, welchen Prozessschritt die Aufträge gerade durchlaufen und wo die Teile dazwischen lagern. Für effiziente Abläufe ist Transparenz aber eine wichtige Voraussetzung, gerade wenn es darum geht, Eilaufträge durch die Fertigung zu jagen. „Metall und Radiowellen vertragen sich eigentlich überhaupt nicht. Das hat die Lokalisierung im Blechbearbeitungsbereich vorher fast unmöglich gemacht. Wir können mit unserem Produkt Abhilfe schaffen. Mit der präzisen und gleichzeitig robusten Ultra-Wideband Technologie, dem sogenannten UWB, gelingt es uns, Objekte auch dann nachzuverfolgen, wenn sie sich in einer Umgebung mit viel Metall befinden.“
Simpel und doch bahnbrechend
Die Funktionsweise der Lokalisierungssoftware ist schnell erklärt. Zunächst installiert man mehrere der Satelliten in der Produktionshalle, um die Position eines Teils im Raum exakt ausmachen zu können. Die Boxen mit dem Transmitter-Chip, auch Marker genannt, bringt man auf dem Objekt an, das nachverfolgt werden soll. Zum Beispiel ein geschnittenes Blechteil. Der winzige Chip in der magnetischen Marker-Box kommuniziert dann mit den Satelliten im Raum. So lässt sich der Standort bestimmen. Anwender platzieren den Marker einfach auf oder neben den Teilen des Auftrags. „Die Blechbearbeiter müssen die Teile sowieso mit einem Daten- oder Auftragsblatt auszeichnen. Das können sie dann einfach mit den Markern befestigen“, sagt Jean-Marie André.
Auf der EuroBLECH stellte TRUMPF die mit Unterstützung von BeSpoon entwickelte neue Lokalisierungslösung zum ersten Mal einem großen Publikum vor. Testphasen liefen bereits in der TRUMPF Smart Factory in Chicago. BeSpoon sieht sich als Brückenbauer zwischen der digitalen und der analogen Welt. Denn die Maschinen werden stetig schneller und effizienter. Die Mitarbeiter können mit diesem Tempo nicht immer mithalten. Besonders bei nicht automatisierten Fertigungen ist die Lokalisierung von Produkten ein großer Fortschritt. Jean-Marie André beschreibt es folgendermaßen: „Wir geben Menschen ein Werkzeug, um so effizient wie Roboter zu sein.“
BeSpoon hat 15 Mitarbeiter, fast alle davon sind Ingenieure. Dass TRUMPF in das Start-up investiert hat, brachte viele Veränderungen mit sich – zum Positiven: „Die Zusammenarbeit hat unsere Art zu denken verändert. Und auch unsere Arbeitsweise. Wir fokussieren uns natürlich stärker auf die Blechbearbeitung. Gleichzeitig bietet uns TRUMPF aber viele Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten. So können wir unter anderem mit Zulieferern arbeiten, die vorher auf Grund unserer Größe eher die Stirn gerunzelt hätten“, erklärt Jean-Marie André.
Veränderung als Bindeglied
Auch TRUMPF hat den Mut bewiesen, sich zu verändern. „TRUMPF hat vorher kaum mit so kleinen Chips gearbeitet, wie wir das tun. Aber die Kollegen schrecken nicht vor dem Wandel zurück. Viel mehr sehen sie Veränderungen als Chance, um ihre Kunden in Sachen Digitalisierung voranzubringen und ihnen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dafür arbeitet das Unternehmen gerne mit Start-ups zusammen. So wie mit uns. Das schätze ich sehr“, so André. Auch wenn TRUMPF nun ein großer Investor von BeSpoon ist, hieße das aber nicht, dass das Start-up sich nur noch mit der Blechbranche auseinandersetzt. Im Gegenteil: „Wir werden von unseren Partnern ermutigt, Neues zu entdecken. Und auch in anderen Bereichen zu forschen, kreativ und neugierig zu bleiben.“
Jean-Marie hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Unterhaltungselektronik und der Kommunikationsbranche. Er hatte das Glück, 1994 mit der Entwicklung von GSM-Telefonen zu beginnen und die Entwicklung dieser Branche bis 2009 zu beobachten. Während dieser Zeit übernahm Myriad Purple Labs, das Designhaus, das er 2001 mitbegründet hatte. Als COO war er bei Purple Labs für die Kapitalbeschaffung und Akquise von Kunden verantwortlich, und trieb Roadmaps und ehrgeizigen Projekten voran. Jean-Marie hat einen Master of Science vom ISIAL mit einem Hauptfach in Künstlicher Intelligenz.