Joe Kempf sitzt entspannt in seinem Drehstuhl im pragmatisch eingerichteten Besprechungszimmer und erklärt: „Das Team und ich haben Jahre damit verbracht, eine spezialisierte Laserschneidplattform für das Schneiden medizinischer Rohre zu entwickeln. Wir haben jeden einzelnen Aspekt der Arbeitsstation optimiert, um die Maschine so effizient und schnell wie möglich zu machen. Und wir haben die Lücken in Technik und Nutzerfreundlichkeit geschlossen, die andere Maschinen haben.“ Der, der da den Mund ganz schön voll nimmt, ist gelernter Ingenieur und Mitgründer des Start-ups Alpine Laser. 2019 hat er seinen festen Job in der Medizintechnikbranche gekündigt, seine Ersparnisse zusammengekratzt und gemeinsam mit einem Partner auf eine Karte gesetzt – Alpine Laser.
Nadelöhr Produktionskapazität
Was schlau ist: Kempf will Mikrobearbeitungs-Maschinen bauen und sie an die Produzenten von Stents und ähnlichen Röhrchen verkaufen. Die winzigen, elastischen Drahtgeflechtschläuche setzen Ärzte in verengte Blut- und Nervenbahnen ein, um die Gefäße offen zu halten. In Industrieländern mit rasch alternder Bevölkerung ist das einer von vielen minimalinvasiven operativen Eingriffen, die immer häufiger vorkommen und risikoreichere Methoden ersetzen: Typische Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle bekommen Mediziner so besser in den Griff. Allein in den USA erhalten Patienten jährlich über zwei Millionen Stents, Tendenz steigend. Und ständig entwickeln Ärzte neue Therapien, für die sie lasergeschnittene röhrenförmige Komponenten brauchen.
Was schwierig ist: Kempf will Mikrobearbeitungs-Maschinen bauen und sie an die Produzenten von Stents verkaufen. Denn der Einstieg in den Markt für Medizintechnik wird weltweit durch Aufsichtsbehörden streng kontrolliert. Das ist verständlich, hat aber zur Folge, dass die großen Hersteller von Stentschneidemaschinen den Markt unter sich aufteilen. „Inzwischen können die etablierten Hersteller mit der steigenden Nachfrage nach Stents nicht mehr mithalten, wodurch ein Engpass entstanden ist“, erklärt Kempf.
Schneller, kleiner
Kempf kennt die Branche. Sein Team weiß, was funktioniert und was nicht, und was die Maschinen leisten müssen. Im Laufe der letzten 18 Monate haben sie ihr Laserschneidesystem mit fast allen anderen Systemen auf dem Markt verglichen. Bei der Konstruktion solcher Maschinen geht es immer um einen entscheidenden Kompromiss: Einerseits soll die Maschine leicht skalierbar sein und dadurch eine kostengünstige Fertigung ermöglichen, andererseits muss sie in hohem Maße auf die individuellen Anforderungen der Benutzer konfigurierbar sein. Kempf: „Wir erkannten, dass nur ein modularer Aufbau der Anlage beide Ziele versöhnt.“ Also entwirft das Team von Alpine Laser ein System, das die anspruchsvollen Bauteile zwei- bis fünfmal schneller mikrobearbeitet als herkömmliche Maschinen. Ein Grund dafür ist: Dank hochflexibler Werkzeuge dauert das Einrichten der Teilehalterung und das Ausrichten der Optiken weniger als fünf Minuten. Das ist deutlich schneller als alle bisherigen Systeme – und das auf einer Grundfläche von nur 1,2 auf 0,7 Metern. So klein ist keine andere Stent-Maschine.
Natürlich ist die Maschine mit einem Ultrakurzpulslaser (UKP) erhältlich: Ohne Femtosekundenlaser wären die geforderten glatten Kanten und winzigen Verstrebungen bei Rohren mit einem Durchmesser von 0,25 Millimetern und einer Wandstärke von nur 0,5 Millimetern nicht zu erreichen. Doch wie Kempf erklärt, sind UKP-Laser nicht dafür bekannt, besonders flexibel zu sein: „Das hätte zu Problemen mit unserer Strategie führen können, eine modulare Plattform zu entwickeln, bei der wir einen Großteil der gemeinsamen Systemkomponenten über alle Maschinenkonfigurationen hinweg verwenden können; dazu gehören sowohl UKP-Laser als auch gepulste CW-Faserlaser.“
Ein kabelgeführter UKP-Laser
Dann entdeckt Kempf, dass TRUMPF am weltweit ersten kabelgeführten UKP-Laser arbeitet. „Uns war sofort klar, dass dies der Schlüssel zu einem modularen Aufbau ist.“ Das neue Laserlichtkabel besteht aus einer Hohlkernfaser. Diese überträgt die UKP-Laserpulse ohne Stabilitätsverlust von A nach B. „So können wir die Laserquelle von der Schneidoptik trennen, ohne eine sperrige Laserkopfeinheit in der Nähe des Bearbeitungsbereichs montieren zu müssen“, sagt Kempf. „Das macht die Maschine deutlich kompakter und ermöglicht es uns, unser Maschinendesign sowohl für UKP- als auch für Faserlaser zu standardisieren.“
Alpine Laser nimmt Kontakt zu TRUMPF auf. Die beiden Unternehmen arbeiten daraufhin gemeinsam an der Entwicklung des Medicut Pro von Alpine Laser – die weltweit erste Maschine, die einen UKP-Laser mit Hohlkernfaserzuführung für die Produktion im industriellen Maßstab einsetzt. Ein weiterer Vorteil ist die Strahlqualität, die der TruMicro liefert. „Ultrakurzpulslaser können so saubere Schnittkanten erzeugen, dass unsere Kunden Teile herstellen können, die in vielen Anwendungen keine Nachbearbeitung mit aggressiven Chemikalien mehr benötigen “, erklärt Kempf. „Damit entfällt ein wesentliches Hindernis für Gerätehersteller: Menschen wollen nicht mit gefährlichen Chemikalien arbeiten.“
Endlich mehr Stents
Die Maschine ist fertig, und Alpine Laser hofft auf einen bescheidenen und stetigen Anstieg der Verkaufszahlen. Doch sie werden von der Nachfrage regelrecht überrollt. Bestärkt durch diese Erfahrung richtet Kempf nun sein Augenmerk auf neue UKP-Flachblechschneideanlagen für komplexe lasergeschnittene Kathetereinführungssysteme. Er sagt: „Wir sind der Meinung, dass unsere Arbeit noch lange nicht getan ist – wir fangen gerade erst an. Wir haben eine lange Liste von Produkten in der Pipeline, die von einer Überarbeitung profitieren könnten – durch eine Aktualisierung alter Industriedesigns mit neuen, fortschrittlicheren Technologien. Das Team von Alpine wird weiterhin die neuesten Technologien erforschen und implementieren, um sicherzustellen, dass unsere Maschinen auch in den kommenden Jahren das Marktangebot übertreffen.“