Herr Postrigan, Herr Elmalen, am 24. Februar 2022 marschierte Russland in die Ukraine ein und am 7. Oktober 2023 griff die Hamas Israel an. Wie haben Sie den Tag, der ihr Land und ihr Leben verändern sollte, in Erinnerung?
Yuri Postrigan: Als Putin die Grenze überquerte ging ich davon aus, dass die Ukraine in drei Tagen erledigt sei. Ich dachte, es gäbe hier keine richtige Armee. Keine Waffen, kein Volk, das bereit für den Krieg ist. Drei meiner sechs Serviceingenieure entschieden, an die Front zu gehen. Sie kämpfen immer noch, einer von ihnen wurde kürzlich in Odessa bei einem Angriff getroffen und verwundet – er ist zum Glück wieder O.K.
Arie Elmalem: Unmittelbar nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 zog die Armee drei Servicetechniker aus unserem siebenköpfigen Serviceteam ein. Wir haben noch am selben Tag im Team beschlossen, dass unsere Kunden das nicht zu spüren bekommen dürfen. Die letzten Monate waren daher sehr hart. Erst vorgestern kam der letzte der drei Servicetechniker von seinem Einsatz zurück.
Welche Auswirkungen hat der Konflikt auf ihre Kunden?
Arie Elmalem: In Israel liegt das betroffene Gebiet im Norden und im Südwesten an der Grenze zum Gazastreifen. Wir haben einige Kunden dort. Sie haben ihren Betrieb in den vergangenen Monaten trotz Raketenbeschuss aufrechterhalten. Sie litten in der Anfangszeit allerdings unter der dürftigen Versorgung mit Rohblech für die Produktion, weil einige ihrer Lieferanten zunächst nicht mehr dorthin lieferten. Einigen fehlten auch Mitarbeiter, weil sie geflohen sind. Wir mussten daher zum Teil auch neue Mitarbeiter unserer Kunden im Umgang mit den TRUMPF Maschinen ausbilden. Auch die Inbetriebnahme neuer Maschinen mussten wir übernehmen, da TRUMPF aus Sicherheitsgründen keine Mitarbeiter mehr in diese Gebiete schicken kann.
Yuri Postrigan: Die Ukraine hat ihre Industrieregionen eher im Osten des Landes. Eben dort, wo Russland bombt, und das Land besetzt. Viele Unternehmen sind mit ihrer Produktion in den Westen des Landes umgezogen. Sie haben Arbeitskräfte verloren, weil die Männer an der Front dienen und einige aus dem Land geflohen sind.
Wie hat sich der Krieg auf Ihr Verhältnis mit den Kunden ausgewirkt?
Yuri Postrigan: Schon vor dem Krieg haben wir die Wünsche unserer Kunden in den Mittelpunkt gerückt. Wir haben sie etwa nie in Verhandlungen unter Druck gesetzt. Im Vergleich zum Wettbewerb haben wir schon immer eine besondere, sehr partnerschaftliche Beziehung. Trotzdem äußerten sie vor dem Krieg auch mal harte Worte, wenn wir beispielsweise nicht schnell genug waren. Jetzt ist jedem klar, dass wir im selben Boot sitzen. Wenn ein Problem auftaucht, diskutieren wir offen, wie wir trotz der widrigen Umstände die beste Lösung finden können.
Und in Israel?
Arie Elmalem: Auch wir und unsere Kunden halten zusammen. Wir priorisieren diejenigen, die tagtäglich von den Auswirkungen des Kriegs betroffen sind. Dazu gehört beispielsweise ein Kunde in einem Kibbuz [Anm.: genossenschaftlich organisierte Siedlung] an der Grenze zum Gazastreifen. Dieser Ort, Rahim, wurde von Terroristen angegriffen. Sie töteten einige Mitglieder des Kibbuz. Die Terroristen kamen damals auch in die Blechfertigung unseres Kunden und fingen an, um sich zu schießen.
Zwei Wochen nach dem Angriff im letzten Oktober bekamen mein Chefingenieur und ich die Genehmigung der Armeebehörden, dort hinreisen zu dürfen. Als wir in der Fabrik auftauchten, war der Serviceleiter dort völlig baff, denn er hatte uns nicht angerufen. Wir sagten: „Wir kommen, um zu sehen, was los ist. Wir wollen die Maschinen wieder in Gang setzen und bringen Ersatzteile mit“.
Wie haben das andere Firmen gehandhabt?
Arie Elmalem: Unser Serviceniveau ist sehr hoch. Während wir neun Serviceingenieure für TRUMPF im Einsatz haben, haben viele unserer Wettbewerber nur zwei. Die Kunden gewöhnen sich daran. Das macht den Unterschied aus. Wir tauchen nicht nur auf, wenn jemand eine Maschine kaufen möchte. Wir sind für unsere Kunden da, wann immer sie uns brauchen. Wir haben eine Maschine an der Grenze zum Libanon in Betrieb genommen, während die Region mit Raketen angegriffen wurde. Die Servicetechniker mussten sechs bis acht Mal am Tag in den Luftschutzbunker rennen. Auf Grund der geringen Distanz zum Libanon blieben ihnen jedes Mal nur wenige Sekunden.
Yuri Postrigan: In der Ukraine sind einige Wettbewerber einfach vom Markt verschwunden. Wir sind geblieben.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Yuri Postrigan: Wir sind hier in einer sehr schwierigen Lage. Wenn wir auf Grund des Krieges von allen Partnern in der Welt etwas bevorzugt behandelt werden könnten, wäre das großartig. Den Rest erledigen wir.
Arie Elmalem: Ich wünsche mir, dass alle Mitarbeiter und Familienangehörigen unserer Kunden, die jetzt in der israelischen Armee dienen oder als Geisel genommen wurden, wohlbehalten nach Hause kommen. Und ich wünsche mir, dass wir alle bald wieder zu einem normalen Leben zurückkehren können.