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Prof. Barcikowski forscht an Nanopartikeln.
Athanassios Kaliudis

"Sie drücken auf einen Knopf - und die Nanopartikel kommen raus"

P rof. Stephan Barcikowski kann Nanopartikel per Laser herstellen. Hier erklärt er, wie Lasermaterialbearbeitung die Chemie-Industrie aufmischt und warum es bald auch Kaffeevollautomaten für Nanos gibt.

Herr Barcikowski, wozu braucht die Industrie Nanopartikel? 
Anwendungen gibt es für viele Branchen. Besonders bedeutend sind Nanopartikel in der Chemie-Industrie. Dort machen sie viele Produkte erst wirtschaftlich oder überhaupt erst möglich, zum Beispiel in Brenn­stoffzellen, bei der Abgaskatalyse oder im 3D-Druck. Nanopartikel dienen als Katalysatoren, also als hochreaktive Beschichtungen, die chemische Reaktionen beschleunigen oder überhaupt erst in Gang bringen.

Warum können Nanopartikel so etwas?
Je mehr Oberfläche das Material besitzt, desto besser reagiert es – und Nanopartikel haben verdammt viel Oberfläche. Lassen Sie mich das kurz erklären: Wenn Sie eine Kugel in zehn Stücke schneiden, haben Sie die Oberfläche verhundertfacht – sie nimmt mit jedem „Schnitt“ exponentiell zu. Irgendwann kämen Sie dann bei Nanopartikeln raus. Wenn die Chemie-Industrie Platin für eine Katalyse braucht, dann kauft sie es sich in Form von Nanopartikeln, weil sie dann wenig Platin kaufen muss, aber viel Platinoberfläche bekommt.

Nun zu Ihrem Herstellungsprozess. Habe ich das richtig verstanden: Um industriell nutzbare Gold-Nanopartikel zu machen, brauche ich bloß ein Scheibchen Gold, ein Glas Wasser und einen Laser?
Sagen wir etwas neutraler „ein Glas Flüssigkeit“ und genauer, einen „gepulsten Laser“, dann stimmt’s. Das reicht, um Gold-Nanopartikel herzustellen.

Ein bisschen komplizierter wird es doch wohl sein ...
Im Grunde nicht. Ob Schneiden, Schweißen oder Bohren – bei allen Laserprozessen entstehen ja ohnehin nebenbei Nanopartikel, die dann im Rauch verfliegen. Vor 15 Jahren haben wir mal in einem Forschungsprojekt zum Laserstrukturieren den Rauch mit einer Airbrush-Düse aus dem Baumarkt wegge­sprüht, um die Elektronik und das Bauteil zu schützen. Da fiel uns auf, dass das Sprühwasser die Farbe ändert. Das war wegen der Nanopartikel. Wir dachten: Wir könnten doch die Nanopartikel aus dem Prozess abzapfen und weiternutzen. So kamen wir Schritt für Schritt auf unseren heutigen Prozess: Wir legen ein Targetmaterial, wie zum Beispiel Gold, Platin oder Silber, in Flüssigkeit und fahren mit einem Ultrakurzpulslaser drüber. Winzige Teile des Oberflächenmaterials verdampfen innerhalb von Nanosekunden und in der Flüssigkeit reichern sich die Nanopartikel an.

Warum in Flüssigkeit? Warum fangen Sie die Nanopartikel nicht aus dem Rauch auf?
Weil Nanopartikel in Flüssigkeiten leichter zu fangen und sicher handhabbar sind – wir sprechen dann von sogenannten Kolloiden. Nanopartikel sind hochreaktiv und beginnen in der Luft sofort zu verklumpen. Im Wasser dagegen herrschen höhere Drücke, die unsere Partikel nach dem Laserpuls in einer linsen­artigen Mikroblase gefangen halten, wo sie mit unvorstellbaren 1.012 Kelvin pro Sekunde abkühlen. Anschließend platzt diese Blase und schleudert die Nanopartikel in die Flüssigkeit, in der sie fortan bei Raumtemperatur umherschwimmen, ohne zu verklumpen. Das alles passiert innerhalb von Mikrosekunden. Der zweite Grund ist spannender: Denn per Laser in Wasser hergestellte Nanopartikel haben noch speziellere Eigenschaften. Zum Beispiel haben sie aus kinetischen Gründen mehr Defekte.

Und das soll was Gutes sein?
Ja! Wir wollen, dass unsere Nanopartikel möglichst viele Defekte haben. Je kleiner Sie einen Festkörper machen, desto eckiger wird er. Das Fachwort hierfür heißt „facettiert“. Die wenigen Tausend Atome in dem per Laserpuls abgesprengten Partikel würden sich sehr gern in idealen, also möglichst sauber aneinanderliegenden Facetten organisieren. Weil sie aber so rasend schnell abkühlen und deswegen erstarren, schaffen sie es nicht mehr rechtzeitig, und die Facettenflächen bleiben schroff wie eine Felsenklippe. Das sind die Defekte. Sie aktivieren die Oberfläche. Und wie gesagt: mehr Oberfläche gleich höhere Reaktivität. 

Grafik, die zeigt, wie Nanopartikel mit dem Laser erzeugt werden.

Nanopartikel bestehen aus rund tausend Atomen beziehungsweise Molekülen oder weniger. Wegen ihrer speziellen chemischen Eigenschaften werden sie in verschiedenen Branchen eingesetzt, zum Beispiel in der Medizin oder in der chemischen Industrie. (Grafik: Gernot Walter)

Die chemische Industrie macht ihre Nanopartikel bisher selbst. Warum sollten sie Ihre wollen?
Weil sie besser sind. Lasererzeugte Nanopartikel sind, wie gesagt, wegen ihrer Defekte reaktiver, also wirksamer. Aber sie halten auch länger durch und erhöhen damit die Lebensdauer des Produkts. Erst neulich haben das zwei Vergleichsstudien für Dieselkatalysatoren und für Elektrokatalysatoren in Brennstoffzellen belegt: Bei der Stickoxid-Vernichtung im Diesel-Kat haben unsere Nanopartikel besser abgeschnitten als die der klassischen Nasschemie. Und sowohl beim Diesel als auch in der Brennstoffzelle blieben unsere Partikel deutlich stabiler. Woher die höhere Stabilität rührt, wissen wir ehrlich gesagt noch nicht, da sind wir dran. Aber sie ist ein wichtiges Kriterium für die Industrie.

Taugt Ihr Laser-Verfahren zur Massen­produktion von Nanopartikeln?
Das kommt drauf an. In Tonnen rechnen wir noch nicht, aber in Kilogramm. Bei vielen Anwendungen geht es nicht nur um schieres Volumen. Viel wichtiger ist es, die Partikel einfach und präzise zu produzieren. In der großindustriellen Forschung zum Beispiel: Hier etabliert sich unser Laserverfahren gerade. Das ist das erste Mal, dass sich Lasermaterialbearbeitung in der Chemie-Industrie durchsetzt – ein Riesenmarkt, das glauben Sie gar nicht!

Forschung ist immer gut, aber lässt sich mit den Laser-Nanos auch schon Geld verdienen?
Auch das. Es gibt mehrere Ansätze. Wir haben in den letzten drei Jahren die Produktivität des Herstellungsverfahrens um den Faktor einhundert erhöht. Und wir glauben, Faktor zehn bis hundert ist noch mal drin; wir haben da schon konkrete Ideen. Wirtschaftlich ist das Verfahren ab rund einem halben Gramm Nanopartikel pro Stunde. Bei mehreren Gramm pro Stunde sind wir bereits. Die können Sie dann zum Beispiel Kilopacks an Katalysator-Pulvern mit den üblichen paar Massen­prozent beimischen und hervorragend lagern. Aber es gibt noch andere Pulver, die wir mit unseren Nanopartikeln verbessern.

Verraten Sie es uns!
Pulver für den 3D-Druck. Wir arbeiten da gerade mit einem namhaften Stahlproduzenten zusammen. Ziel ist, Metallpulver für den 3D-Druck mit einer Prise Nanopartikel zu veredeln und damit den Druck zu verbessern. Ein Laserverfahren pusht das andere.

Welche Vorteile hat das Laserverfahren noch?
Die Nasschemie ist uns in Sachen Volumen noch klar überlegen. Aber es gibt bestimmte Dinge, die können wir besser. Für viele Anwendungen benötigt die Industrie Nanopartikel nicht aus dem reinen Stoff, sondern aus Legierungen. Per Laser geht das ganz einfach. Das Laserverfahren ist perfekt, um Reihen von Legierungen in allen Mischungsverhältnissen systematisch herzustellen, schneller geht’s kaum. Zudem liegen die Legierungsnanopartikel in höchster Reinheit vor, da wir keine Stabilisatoren oder Vorläuferverbindungen wie in der Nasschemie einsetzen, die dann die Oberfläche belegen. Eine aufwendige Reinigung kann man sich also sparen.

Was kommt denn als Nächstes aus Ihrem Labor?
Der, vereinfacht ausgedrückt, Kaffeevollautomat für Nanopartikel. Zwei meiner Teammitglieder haben einen Prototyp gebaut und gründen damit gerade eine Firma. Das Prinzip ist einfach: Die Lasermaschine steht auf einem Schreibtisch, in ihrem Inneren eine wechselbare Kartusche mit Targetmaterialien. Sie drücken auf einen Knopf – Platin, Gold, Silber, was auch immer – und die entsprechenden Nanopartikel kommen raus. Sie müssen rein gar nichts über Nanopartikel wissen, um sie herzustellen. Zudem ist das Gerät arbeits­sicher und zuverlässig. Ein Stromanschluss und eine Flasche Wasser genügen.

Nano für jedermann?
Genau das. Es gibt eben einen großen Markt für kleine Mengen, und die Bestellung derartiger Tagesmengen ist sehr lästig und unzuverlässig. Aber der Vollautomat ist nur ein weiteres Beispiel für die breiten Möglichkeiten des Laserverfahrens in Flüssigkeiten.

Also würden Sie einem Geschäftsmann den Einstieg in die Nanoproduktion empfehlen?
Ja, was denn sonst?! Die Zukunft braucht Nano.

Prof. Barcikowski mit Nanogold aus Laserabtrag in riesigem Reagenzglas.

Stephan Barcikowski ist Professor für Technische Chemie an der Universität Duisburg-Essen und erforscht Herstellung und Einsatz lasergenerierter Nanopartikel. Er und sein Teammitglied Bilal Gökce sind wegen ihrer bahnbrechenden Erfolge für den Berthold Leibinger Innovationspreis 2020 nominiert. Aufgrund der Corona-Pandemie wird der Preis 2021 verliehen.

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